How to: Volksbegehren

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Theoretisch sinnvoll und praktisch, aber oft schwieriger als gedacht: Mittels Volksbegehren können Bürger*innen Anliegen zwar auf die politische Agenda bringen, allerdings können sie die Politik nicht immer beeinflussen – zumindest nicht unmittelbar.

Neben der Volksbefragung und der Volksabstimmung ist das Volksbegehren ein zentrales Instrument direkter Demokratie. Während aber die ersten beiden Mittel weniger Aufmerksamkeit in der öffentlichen Wahrnehmung erfahren, scheint das Thema Volksbegehren in der österreichischen Gesellschaft allgegenwärtig. Ein Grund dafür könnte sein, dass dieses als einziges dieser drei Instrumente auch direkt von Bürger*innen initiiert werden kann. Nur was muss dabei alles beachtet werden?

Vom Antrag zur Unterschrift

Wer ein Volksbegehren starten möchte, hat einen klar vorgeschriebenen Vorgang zu beachten. Der erste Schritt ist die Anmeldung des Volksbegehrens beim Bundesministerium für Inneres (inklusive einer Zahlung von 500 Euro). Anschließend folgt das sogenannte Einleitungsverfahren, also das Sammeln von Unterstützungserklärungen. Um einen Antrag auf Einleitung einreichen zu können, sind mindestens 8.401 Unterstützungserklärungen notwendig. Ist auch diese Hürde geschafft, kann das Eintragungsverfahren beginnen. Dabei wird ein Zeitraum für die Eintragung festgelegt, welcher acht aufeinanderfolgenden Tagen entsprechen muss (besser bekannt als Eintragungswoche).

Diese Eintragungsphase ist ein entscheidendes Moment des Volksbegehrens: Denn wenn mindestens 100.000 Unterschriften gesammelt werden konnten, muss das Anliegen im Nationalrat behandelt werden. Bei diesen 100.000 Unterschriften werden außerdem die bereits abgegebenen Unterstützungserklärungen angerechnet, heißt also: Jene Personen, welche schon während des Einleitungsverfahrens eine Unterstützungserklärung abgegeben haben, müssen ihre Unterschrift kein zweites Mal abgeben.

Unterschrieben! Und jetzt?

So weit, so gut – in der Theorie können Bürger*innen so also ein Anliegen auf die politische Agenda bringen. Allerdings sind Volksbegehren auch mit einem klaren Nachteil verbunden. Sie sind rechtlich nicht bindend (wie das bei Volksabstimmungen der Fall ist). Der Nationalrat muss zwar über das Anliegen eines Volkbegehrens beraten, ist aber nicht zu dessen rechtlicher Umsetzung verpflichtet. Demnach ist das Sammeln der Unterstützungserklärungen kein Garant für direkte politische Konsequenzen.

Man erinnere sich etwa an vergangenes Jahr: Von 1. bis 8. Oktober 2018 konnten gleich drei Volksbegehren – Don’t Smoke, das Frauenvolksbegehren sowie ORF ohne Zwangsgebühren – unterschrieben werden. Obwohl alle drei die 100.000 Unterschriftenmarke erreichten und schließlich im Nationalrat diskutiert wurden, kam es zu keiner politischen Umsetzung der jeweiligen Anliegen. Allein die Forderung des Don’t Smoke-Volksbegehrens wurde in diesem Jahr doch umgesetzt, allerdings eben nicht als direkte Folge des Volksbegehrens. Dazu kam es erst, als SPÖ, Neos und Jetzt (ehem. Liste Pilz) einen gemeinsamen Antrag für das absolute Rauchverbot in der Gastronomie einbrachten. Diesem haben alle Parteien mit Ausnahme der FPÖ zugestimmt.

Selbst das zahlenmäßig bisher erfolgreichste Volksbegehren konnte sein Anliegen nicht umsetzen. 1982 richtete sich das Konferenzzentrum Einsparungsgesetz-Volksbegehren gegen den Bau des Konferenzzentrums in Wien (Austria Center Vienna) und wurde von insgesamt 1.361.562 Personen unterschrieben (was einer Stimmbeteiligung von 25,74% entspricht). Trotz dieser hohen Beteiligung am Volksbegehren wurde das Konferenzzentrum gebaut.

Ein gutes Beispiel für ein politisch erfolgreiches Volksbegehren ist das Rundfunkvolksbegehren aus dem Jahr 1964. In diesem wurde die politische Unabhängigkeit des Rundfunks gefordert. Dieses erreichte 832.353 Unterschriften (17,27% Stimmbeteiligung) und führte schließlich 1967 zur Rundfunkreform.

Was zählt meine Stimme?

Einige der bisher in Österreich durchgeführten Volksbegehren vermitteln den Eindruck, dass nach einer breiten Mobilisierung um ein Anliegen politisch eher wenig passiert. Aber vielleicht findet sich ja genau hier die Stärke des Volksbegehrens: Themen in den Mittelpunkt rücken, welche andernfalls nie Teil einer breiteren, politischen Diskussion wären. Meinungen werden gebildet und ausgetauscht, Themen medial aufgegriffen und weiterverbreitet. Auch wenn also viele Volksbegehren nicht (sofort) zu politischen Veränderungen führen, so tragen sie doch dazu bei, dass deren Inhalte Gegenstand der öffentlichen Wahrnehmung werden und somit nicht ausgeschlossen ist, dass diese zu einem späteren Zeitpunkt (von Politiker*innen, Medien oder der Zivilgesellschaft) nochmals aufgegriffen werden.


Weitere Infos inklusive einer Liste aller Volksbegehren: https://www.bmi.gv.at/411/

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