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Klimaangst – Was man gegen die Ohnmacht tun kann

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Die Klimakrise kann psychisch sehr belastend sein. Das erleben immer mehr Menschen, die merken, dass zu wenig unternommen wird, um auf die Krise zu reagieren und sich selbst immer öfter machtlos fühlen. Jugendliche sind besonders betroffen. Die Umweltpsychologin Anna Pribil erklärt, wie man aus der Katastrophenspirale findet.

Jedes Mal, wenn Moritz* von Extremwetterereignissen hört, hat er vor allem einen Gedanken: „Davon werde ich noch viel mehr erleben“. Die Klimakrise macht dem 27Jährigen Angst und damit ist er nicht allein. Die Ergebnisse einer Studie zu Zukunftssorgen von jungen Menschen 2021 waren alarmierend. Um herauszufinden, welche Auswirkungen die Klimakrise auf die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat, wurden in zehn Ländern 10.000 Menschen zwischen 16 und 25 befragt. 59% der Befragten machte die Klimakrise extreme Sorgen, mehr als die Hälfte fühlte sich wütend, hilf und machtlos oder schuldig.

Klimaangst normale Reaktion

Die bei Psychologists for Future aktive Umweltpsychologin Anna Pribil betont, dass es sich bei Klimaangst nicht um eine pathologische Störung handelt. Solche seien als Reaktion auf Situationen, die eigentlich gar keine Gefahr darstellen, irrational. Die Angst vor der Klimakrise hingegen sei eine „normale, gesunde Reaktion auf eine reale Bedrohung“, erklärt Pribil. Das weiß auch Moritz: „Keine Angst zu haben das wäre irrational“, ist er überzeugt. Klimaangst lasse sich daher auch nicht therapieren. Man könne nur darauf achten, die Belastung zu minimieren, etwa indem man sich einer Gruppe anschließt oder über die Ängste und Unsicherheiten spricht. Psychologists for Future versucht, Therapeuten zu vermitteln und bietet ein erstes kostenloses Beratungsgespräch an. Doch Pribil fügt auch hinzu: „Die wirkungsvollste Maßnahme gegen Klimaangst einer Gesellschaft wären Maßnahmen der Politik, um die Klimakrise zu bewältigen.“ Das deckt sich auch mit den Befunden der Studie: Je weniger man den Eindruck hat, dass von Regierungen genug unternommen wird, desto eher verstärkt sich das Gefühl der Angst und des Verrats an der jungen Generation.


Zeigen, was man tun kann

Pribil wünscht sich, dass Journalismus aufzeigen würde, was der Einzelne beitragen kann. In vielen Fällen könne der eigene ökologische Fußabdruck aber nicht weiter minimiert werden, weil das System gewisse Grenzen habe auch das könne frustrieren. Man müsse sich vor Augen halten, dass sich jeder in seinem Bereich einbringen kann, ob in der Bildung, im Energiebereich, oder auf politischer Ebene in der kleinen Gemeinde. „Es gibt immer irgendetwas, das man machen kann“, hebt Pribil hervor.Es geht also auch darum, zu vermitteln, dass sie Klimakrise noch lösbar sei. Denn wenn einmal das Gefühl entsteht, ohnehin nichts mehr unternehmen zu können, sei man schnell überwältigt. Auch Moritz wünscht sich, dass Lösungen sichtbarer werden, damit „man erfährt, was zu tun ist und was Politik und Wirtschaft nicht tun.

Auch die Art und Weise, wie kommuniziert wird, sei nicht zu unterschätzen, ist die Psychologin Pribil überzeugt. Statt 1,5Grad „Ziel“ wäre es besser von einem Limit zu reden, statt von Klimawandel von Klimakrise und von Erhitzung statt Erwärmung. Man könne Sprache einsetzen, um Menschen zu alarmieren, aber auch zu animieren. Gleichzeitig würden immer wieder auch Begriffe wie „Klimahysterie“ durch die Medien geistern und ein negatives Image von Aktivismus zeichnen, ein Umstand, der die Psychologin ärgert: „Eigentlich müssten wir uns bewusst machen, dass wir alle Aktivist*innen sind. Alle unsere Handlungen sind irgendwie politisch. Entweder engagiert man sich für die zwei Grad oder nicht. Aber dann ist man halt auf der anderen Seite.“ Neben der weit verbreiteten Klimaangst und BurnoutSymptomen bei Aktivist*innen, kennt die Psychologie aber auch den Begriff der Klimaresilienz und die könne man durch genügend Schlaf und Bewegung, mit gesunder
Ernährung und ausreichend Pausen stärken. Es kann helfen, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen, sich auszutauschen und auch über die eigenen Ängste zu sprechen. Dann entstehe ein „Gefühl der kollektiven Wirksamkeit dass man gemeinsam viel mehr bewirken kann als allein“, sagt sie.

Die Psychologie kenne viele Effekte, die in der Klimakrise eine Rolle spielen. Als Beispiel nennt Pribil den „Optimism Bias“. Menschen tendieren dazu, die Dinge immer etwas optimistischer zu betrachten, als sie wirklich sind. In Österreich habe man schnell das Gefühl, gar nicht so stark betroffen zu sein, weil sich ein reiches Land besser schützen kann. Um solche psychologischen Verzerrungen sichtbar zu machen, müssten mehr Journalist*innen ins Boot geholt werden, wünscht sich Pribil. Denn Erkenntnisse der Psychologie könnten in der Klimaberichterstattung eine große Rolle spielen.

Klimakrise in Suchanfragen angekommen

Zwischen August 2020 und 2021 suchten Menschen bei Google um 565% häufiger nach dem Stichwort climate anxiety, wie die Suchmaschine gegenüber dem Magazin Grist bestätigt. 2021 war Google Trends zufolge das Interesse in Kanada, Großbritannien, Australien, Singapur und Neuseeland besonders groß. Für Österreich sind zu wenig Daten vorhanden. Im Bereich Klima, Umwelt und Natur suchten die Österreicher*innen aber vor allem nach Katastrophen. Das Klimaticket, das an dritter Stelle steht, ist der Ausreißer zwischen Gewitterwarnung, Hitzewarnung, Tornado Tschechien und Erdbeben Wien. Dieser Fokus auf Extremwetterereignisse sei mittlerweile auch in der Berichterstattung angekommen, beobachtet Pribil. Doch um Ohnmachtsgefühlen etwas entgegenzusetzen, braucht es auch Lösungen und Handlungsempfehlungen. Denn in der Woche, in der 2021 der Bericht des Weltklimarates IPCC veröffentlicht wird, steigt die Suchanfrage What can I do about climate change weltweit kurzfristig um 2600%.
Titelbild: (c) Lea Moser/Canva

2 Comments

  1. Danke für den Beitrag.
    Was mir rückblickend bezüglich climate anxiety ein wenig geholfen hat ist die Umstellung auf rein pflanzliche Ernährung. Das ist trotz allen Annehmlichkeiten ein so massiver Einschnitt und eine persönliche Einschränkung, dass es leicht fällt, sich ein wenig darauf „auszuruhen“. Das ist mit dem Ausruhen ist zwar per se vielleicht nicht der ideale Ansatz, aber wenn man gerade wegen Klimakatastrophe am verzweifeln ist, dann hilft das schon. Dann ärgert man sich statt zu verzeifeln halt über Leute dies nicht mal schaffen den veganen Schokonikolo zu nehmen anstatt den anderen. Und Ärger ist in der Situation dann besser als Verzweifeln 😉

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