Wie sich der antiasiatische Rassismus auch in Wien zeigt

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Immer mehr Personen asiatischer Herkunft berichten über Rassismus- oder Diskriminierungserfahrungen. Vor allem seit dem Beginn der Corona-Pandemie scheint sich die Situation vehement verstärkt zu haben. Wir wollten wissen, wie sich dieser Rassismus in Österreich ausdrückt und haben drei junge in Österreich aufgewachsene asiatische Personen gebeten, ihre persönlichen Erlebnisse mit uns zu teilen.

Nicht zuletzt die jüngsten Anschläge in den USA, bei denen mehrere junge Frauen mit asiatischem Migrationshintergrund in Atlanta ihr Leben lassen mussten und die darauffolgenden landesweiten Proteste, zeigen die brennende Aktualität dieses Themas.
Und auch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, für die der angebliche Ausgangspunkt Wuhan in China sein soll, scheinen den Rassismus gegenüber Asiat*innen weltweit verstärkt zu haben.

Wir haben im Gespräch mit jungen Wiener*innen mit asiatischem Migrationshintergrund versucht, herauszufinden, welche rassistischen und diskriminierenden Erfahrungen sie selbst schon erleben mussten und ob sie das Gefühl haben, dass sich durch die Pandemie etwas verändert hat.

Wie hast du selbst Rassismus gegenüber asiatischen Personen in Österreich erlebt? Gibt es vielleicht ein Beispiel, das du gerne teilen würdest?

Jane, 23: Bei mir selbst sind es meistens einfach rassistische Bemerkungen. Vor allem als Kind war es sehr schwierig damit umzugehen. Ich kann mich erinnern, dass mich in der Volksschule die Witze sehr gekränkt haben und ich extreme Angst davor hatte, dass jemand so einen Witz erzählt. Sonst wurden Bemerkungen wie „Schlitzauge“, „Chinakohl“, „Du isst sicher Hund“ oder „Für eine Chinesin bist du schon sehr hübsch“ gemacht. Es war nie etwas „ganz Schlimmes“ dabei, aber die Bemerkungen und Witze haben sich eben so gehäuft, dass es mir selbst extrem peinlich war, Chinesin zu sein und ich einfach „normal“, sprich – weiß sein wollte. Irgendwann habe ich auch begonnen, selbst Witze über asiatische Personen zu machen, um dazuzugehören bzw. war das so ein Selbstschutz, quasi „wenn ich Witze über mich selbst mache, können mich die Witze und Bemerkungen anderer Personen nicht mehr verletzen.“
Das Problem daran ist, dass vor allem chinesische Kinder so erzogen werden, dass sie gehorchen sollen und deswegen nur selten etwas gegen rassistische Bemerkungen sagen, und deswegen ist Rassismus gegenüber Asiat*innen so normalisiert.

Jakob, 25: Ja. Meistens dann so „Alltagsrassismusgeschichten“, wie abwertende Bemerkungen von oftmals Jugendlichen. Ich habe aber auch das Gefühl, in der Kindheit und Jugend ist das öfter vorgekommen als heute. Ich kann mich erinnern, wie so ein unerzogenes Kind immer „Ching chang“ oder so zu mir gerufen hat. Und irgendwann hat meine Mutter ihn dann „Meier gemacht“ und dann hat er geweint – das ist so ziemlich die prägendste erste Erfahrung.

Noe, 23: Vieles habe ich in der Volksschule erlebt. Aber dann, als ich etwas älter wurde, gab es einen Fall, den ich gerne teilen würde. Und zwar war ich spazieren mit einer Freundin und mit einem Hund und wir sind an einer Kreuzung gestanden. Und dann ist eine ältere Dame auf uns zugekommen und hat gemeint: „Dieser Hund ist nicht zum Essen.“ Und wir waren natürlich im Schock und wussten gar nicht, was wir zurück sagen, was wir kontern hätten können. Sowas fällt einem ja immer erst im Nachhinein ein.

Würdest du sagen, dass du öfters mit gewissen Vorurteilen zu kämpfen hast oder hattest, die dir von anderen zugeschrieben wurden ?

Jane, 23: Ja, also die Frage, ob ich Hunde oder Katzen esse, war immer schon sehr präsent, auch wenn’s nur ein „Joke“ war. Auch das Vorurteil, dass Asiat*innen so gut in Mathe sind. Ich hatte immer das Gefühl, wenn ich eine gute Note in Mathe hatte, war es so ein „Ja, war ja eh klar, sie ist ja Chinesin, sie muss gut in Mathe sein“. Und das hat meine Leistung als Individuum einfach runtergespielt.
Vor allem als asiatische Frau hat man noch stärker mit Vorurteilen zu kämpfen, da sie oft auf ihr Aussehen reduziert werden. Aber auch die Generation meiner Eltern hat mit gewissen Vorurteilen zu kämpfen. Sie haben sich vor ein paar Jahren ein eigenes Haus gekauft und viele Leute konnten sich nicht vorstellen, dass so Leute wie meine Eltern sich so ein schönes Haus leisten können. Es war oft die Rede von „Das Geld kommt sicher von der chinesischen Mafia usw.“, oder dass es auf irgendeine andere Weise illegal erworben wurde. Ich glaube, dieses Vorurteil wurde auch verstärkt durch die Berichterstattung über die illegalen Teigtaschenfabriken. Es ist für mich sehr verletzend, weil ich weiß, wie hart meine Eltern gearbeitet haben, um sich den Traum vom Eigenheim zu finanzieren.

Jakob, 23: Ja, und das sowohl unbewusst und als auch bewusst. Beides teilweise dann aber auch so in die positive Richtung konnotierte Sachen, wie ein Instrument spielen, fleißig sein, zocken oder gut in der Schule sein. Und was ich auch nervig finde, ist das Unwissen von vielen. Also beispielsweise die Annahme „Asien = China“ oder so.

Noe, 23: Ja, das würde ich auf jeden Fall sagen. Zum Beispiel arbeite ich in einem asiatischen Supermarkt, also meine Mutter hat zwei Geschäfte und in dem Supermarkt hat eine Person oder eine Gruppe Essensreste vor die Tür geschmiert, also komplett mit einem Kübel drüber geleert und auch so ein „Sackerl für mein Gackerl“ vor die Tür gestellt, und es wurde auch in den Keller uriniert. Und eigentlich ist das alles erst seit Corona, davor war nie ein Fall, wo irgendetwas beschädigt wurde, und seit Corona ist das öfters vorgekommen. Und wir als Mitarbeiter*innen haben da schon einfach Angst davor, was sie noch machen könnten. Und ich denke, es ist einfach allgemein sehr schwer für Personen, die asiatische Supermärkte betreiben. Und ich glaube, die Menschen haben einfach einen Frust aufgebaut und wir sind da einfach ein „Easy Target“.

Hast du das Gefühl, dass sich der Rassismus gegenüber asiatischen Personen seit der Corona-Pandemie verändert hat?

Jane, 23: In den USA auf jeden Fall, also verstärkt. Meiner Meinung nach hat sich in Österreich der Rassismus gegenüber asiatischen Personen nicht so sehr verändert. Nur am Anfang der Pandemie haben sich die Leute von mir weggesetzt in der U-Bahn, aber sonst ist mir persönlich nichts passiert. Ist natürlich nur meine persönliche Wahrnehmung. Das liegt natürlich auch an meinen Freund*innen, die super respektvoll miteinander umgehen, jedoch weiß ich nicht, wie es außerhalb meiner „Bubble“ aussieht. Was sich zum Guten verändert hat, ist die Tatsache, dass viel mehr über Rassismus gegenüber asiatischen Personen gesprochen wird und uns die Chance gegeben wird, unsere Erfahrungen mit Rassismus mit einer breiteren Masse zu teilen.

Jakob, 25: Ja, ich denke, dass er deutlich mehr geworden ist. Also jetzt nicht nur in die extreme Richtung wie in den USA durch Trump – unter anderem, sondern einfach auch häufiger.

Noe, 23:
Ja, ich würde sagen, es hat sich auf jeden Fall etwas verändert, der Rassismus ist anders. Also er war schon immer da, aber jetzt hat man sozusagen einen „Grund“, der kein Grund ist, auf Leute zuzugehen und sie wegen ihres Aussehens zu „hetzen“. Und ja, ich muss sagen, ich persönlich hatte bisher sechs Situationen, in denen auf Corona bezogen jemand etwas zu mir gesagt hat. Und einmal wurde das sogar übergriffig und eine Person hat mich gestoßen und „Corona-Bitch“ gesagt.
Was auch ganz interessant ist, dass wir in unserem Supermarkt viele Mitarbeiter*innen haben, die Halb-Japaner*innen sind und die haben mehr europäische Züge, und anscheinend haben diese Kolleg*innen während der Pandemie noch nie wirklich Rassismus erlebt, also jenen, der sich konkret auf Corona bezieht. Im Vergleich zu mir, ich bin ganze Japanerin und habe natürlich viel asiatischere Züge und krieg‘ da dann natürlich viel mehr davon ab als andere, die sehr europäisch aussehen. Was ja auch ganz interessant ist, weil es anscheinend wirklich nur das Aussehen ist.

 

Solidarität erforderlich

Wie sich also klar herauslesen lässt, haben alle der drei interviewten Personen schon Erfahrungen mit Rassismus gemacht, teilweise wohl auch sehr erschreckende. Es zeigt sich auch, dass sich die Angriffe auf Personen mit asiatischen Wurzeln schon lange nicht mehr auf verbale Angriffe beschränken. Von größter Wichtigkeit wäre hier, zu verstehen, dass dieser Rassismus existiert und es auch hier von größter Notwendigkeit ist, Solidarität zu zeigen und sich offen gegen jegliche Art von Diskriminierung auszusprechen.

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