Mensch geht eine Straße entlang

VorLaut – Das Sommerloch

//
3 mins read
Start

Weil es jede Woche etwas gibt, das nach dem kleinen bisschen Meinung verlangt. Weil wir finden, dass frech und vorlaut immer besser ist als zahm und gefügig. Deshalb gibt unser stellvertretender Chefredakteur Max Bell kurz vorm Wochenende seinen Senf dazu. Er mischt sich ein, überall und immer. Damit wir wissen, was war, was ist und welche Themen ruhig noch ein bisschen (vor)lauter sein dürfen. Diese Woche: Die eigene Meinung auf dem Prüfstand.

Aktuell ist im Politikbetrieb nicht viel los. Zwar herrscht eine gewisse Anspannung vor der zweiten Welle, die Sommerpause macht sich aber deutlich bemerkbar. Das bietet politisch und gesellschaftlich interessierten Menschen eine Möglichkeit innezuhalten. Viel zu selten nehmen wir uns inmitten der allgemeinen medialen Aufgeregtheit nämlich die Zeit, über unsere eigenen Werte und Prioritäten zu reflektieren.

Dabei wäre eine regelmäßige prüfende Betrachtung der eigenen Positionen doch so wichtig. Wie soll man wissen, ob man hinter all den Standpunkten, die man im Alltag vertritt, auch tatsächlich steht, wenn man sich nicht gelegentlich die Zeit nimmt, ordentlich über diese nachzudenken? Zugegeben, das kann auch schwierig sein. Etwa wenn man entdeckt, dass man jahrelang eine Meinung wiedergekäut hat, die man nur deshalb teilt, weil sie von einer Person vertreten wird, der man vertraut. Dazu kann es helfen, sich mit anderen Auffassungen zu konfrontieren, etwa auf Social Media anderen Medien zu folgen als den gewohnten oder ein Buch zu lesen, das den eigenen Blickwinkel in Frage stellt.

Warum soll man sich diesen Kampf gegen den eigenen Confirmation Bias aber überhaupt antun? Weil man alles zu gewinnen hat. Wirklich eigene Meinungen zu vertreten, macht einfach viel mehr Spaß, als einen vorgekauten Einheitsbrei wiederzugeben. Man engagiert sich schließlich viel lieber für eine Sache, von der man auch wirklich überzeugt ist. Sich zu informieren, fühlt sich dann nicht mehr wie eine Pflicht an, man kann gar nicht genug von einem Thema bekommen.

Außerdem wird man dafür reich mit Glücksgefühlen belohnt. Der magische AHA-Moment, wenn man seine eigene Ideologie wirklich versteht, das Gefühl bekommt, sie in ihrer Ganzheit zu erfassen, und sie gleichzeitig auf einen Satz reduzieren zu können, ist unersetzlich.

Was auch immer es ist wofür wir einstehen, es lohnt sich, seine Positionen gelegentlich auf die Probe zu stellen. Wenn wir motiviert durch unsere geprüften Ideale durchs Leben gehen, können wir nachhaltige Veränderungen bewirken und mit einem guten Verständnis davon was wir eigentlich wollen in den sicherlich turbulenten politischen Herbst starten.

Bis dahin können Erfolge, wie etwa das Verbot von ausbeuterischen Werkverträgen in der deutschen Fleischindustrie, als Motivation dienen, sich weiter zu engagieren. Wer sich einsetzt, kann nur gewinnen. Auch wenn man mal verliert.

Comitted to the best obtainable version of the truth.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Previous Story

Eine unmögliche Liebe: "Wo wir stolpern und wo wir fallen" - Rezension

Default thumbnail
Next Story

Die Klimakrise zwingt immer mehr Menschen zur Flucht