Sozialdemokratin Jacinda Ardern holt Absolute in Neuseeland

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Die Parlamentswahlen am 17. Oktober 2020 in Neuseeland brachten ein historisches Ergebnis für die Labour Party von Premierministerin Jacinda Ardern. Seit Jahrzehnten hat es keine neuseeländische Partei mehr geschafft, eine absolute Mehrheit zu erringen. Nun sichert sich Amtsinhaberin Jacinda Ardern 64 von 120 Sitzen im Parlament.    

Am 15. März 2019 wurden in Christchurch (Neuseeland) 51 Muslime durch einen rechtsradikalen Terroranschlag getötet. Nach der Anzahl der getöteten Menschen ist dies das schwerste Verbrechen in Neuseeland seit 1943. Dieses Attentat erschütterte nicht nur Neuseeland, sondern die ganze Welt. In den darauffolgenden Tagen betonte Jacinda Ardern in emotionalen Reden die Stärke des Zusammenhalts und fand damit die richtigen Worte.

„Wir“, nicht „Ich“

Sie sprach von einem „Wir“ und verdeutlichte damit, dass das ganze Land mit den Familien der Opfer trauert. Mit einem schwarzen Schal über den Haaren sprach sie mit betroffenen Geflüchteten in Christchurch und symbolisierte so die Solidarität eines ganzen Landes für die neuseeländischen Muslimas. Aber nicht nur durch symbolische Anteilnahme konnte sich Ardern weltweite Anerkennung holen. Nach dem Attentat verschärfte die Regierung Neuseelands Waffengesetze und das, obwohl die nationalistische New Zealand First– Partei mit in der Koalition saß. Ardern konnte sich also in Krisenzeiten beweisen und machte sich gut dabei. Auch in der Covid-19-Pandemie hat sie ihren Wert als Krisenmanagerin nochmals demonstrieren können. Sie verordnete zwar strengste Lockdowns und die Grenzen wurden dicht gemacht, die Zahlen der Coronatoten hielten sich dementsprechend aber besonders niedrig.

Arderns stärkste Konkurrentin, Judith Collins von der konservativen National Party, kommt nur auf etwa 35 Sitze. In einer Rede erkennt sie die Niederlage ihrer Partei an und gratuliert Ardern und der Labour-Partei zum „herausragenden Ergebnis“. Angesichts der erhaltenen Mehrheit der Labour-Partei, ist eine Koalition mit der Green Party of Aotearoa New Zealand nicht mehr notwendig. Doch auch die Grüne-Partei und die ACT-Partei gewannen dazu. Während die Grünen zwar nur etwa 1% mehr von sich überzeugten, schaffte es die rechtspopulistische ACT-Partei von einem Mandat auf zehn. Der große Verlierer dieser Wahl ist die konservative Nationalpartei, die im Vergleich zu 2017 um 17,2% verlor. Auch die nationalistische Kleinpartei New Zealand First, die noch vor kurzem in der Koalition mit der Labour-Partei saß, schaffte den Sprung ins Repräsentantenhaus nicht mehr.

Alles mit Vorsicht genießen 

Jacinda Ardern ist also eine Frau, die nach einem rechtsextremen Massaker die richtigen Worte, Gesten aber vor allem auch Gesetze fand, um einer Nation den Weg zu weisen. Bekannte Politiker*innen wie Jeremy Corbyn und Alexandria Ocasio-Cortez haben ihr zu ihren „bahnbrechenden“ Errungenschaften gratuliert, doch was ist an diesen Errungenschaften tatsächlich dran? 2017 versprach Ardern etwas gegen die ausgeprägte Kinderarmut in Neuseeland zu unternehmen und Investitionen in Bildung und Gesundheit zu tätigen. Doch stattdessen hat das Investieren in Militär und Polizei anscheinend Priorität, nachdem Milliarden in die Exekutive geflossen sind. Zudem lehnt die Labour-Partei eine Steuererhöhung für Reiche strikt ab. Dabei zeigt eine Liste des National Business Review 2019, dass die reichsten Menschen Neuseelands über ein Gesamtvermögen von 90 Milliarden Dollar verfügen, im Vorjahr waren es noch 81 Milliarden. Das reichste Prozent des Landes verfügt über ein Fünftel des gesamten nationalen Reichtums. Wieso verabsäumt also die sozialdemokratische Labour-Partei diese anständig zu besteuern?

Auch die Wohn- und Lebenslage von einkommensschwachen Familien ist unter Ardern schlimmer geworden. Die Anfrage auf etwa 3.400 Sozialwohnungen ist seit Oktober 2017 beängstigend gestiegen. Statt rund 5.800 Familien warteten im Februar 2019 bereits 14.500 Familien auf eine Sozialwohnung. Es hat den Anschein, als gebe es noch einiges zu tun für die Labour-Partei, um die Kluft der sozialen Ungleichheit in Neuseeland zu verringern. Dennoch scheint die Vision eines Sozialstaates, der den Ärmsten hilft, noch in der Labour-Partei verankert zu sein. Ob und wie viele Forderungen dieser Vision in den nächsten 3 Jahren tatsächlich umgesetzt werden, wird sich zeigen. Abschließend kann aber eines ganz klar über Jacinda Ardern gesagt werden. Sie macht im Vergleich vieles richtig. Im Vergleich zu Trump, Bolsonaro, Putin, Orban und Co macht sie einiges sogar gewaltig richtig.

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