Rosi Spezial

„Wir übernehmen den Austropop!“ | Interview mit Rosi Spezial

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Wohlstandsprobleme, Alkoholismus und Experimentierfreudigkeit: Aus Vorarlberger Dialekt und Improvisation entsteht innovative Musik, die einen Zeitgeist trifft. Im Interview erzählt uns Rosi Spezial von ihrem letzten Album, dessen Entstehung, Sitzkonzerten und vielem mehr.

Titelbild: ©Maximilian Hatzl

Wollt ihr die Geschichte zu eurem Bandnamen kurz erzählen?

Michael: Es wurde uns gegenüber nie bestätigt ob das wirklich stimmt oder ob das einfach nur eine Urban Legend ist. Es gibt diese Leberkässemmel an dieser Tankstelle, die sich Rosi Spezial nennt, weil die Rosi die Verkäuferin ist. Und wenn man eine Rosi Spezial bei ihr bestellt, dann bekommt man eine Leberkässemmel mit Käsleberkäs, dann nochmal Leberkäs, dann Käse, dann Gürkle und alles Mögliche. Aber ich weiß gar nicht ob das stimmt.

Michael, du bist ja gerade erst fertig geworden mit deinem Studium.

Michael: Genau ich bin im März, quasi am Tag des Lockdowns, fertig geworden. Ich hatte meine Defensio über Skype. Das war ziemlich schräg, aber irgendwie cool. Ich habe mir das viel komplizierter vorgestellt. Aber es war eigentlich sehr gemütlich. Ich bin in meinem Zimmer gestanden, habe Kaffee getrunken und ein bisschen über meine Arbeit erzählt und nach 20 Minuten war das vorbei. Ich hab meinen Laptop zugeklappt und habe das Studium beendet. War ziemlich fein.

Ihr seid ja die coolste Musikkapelle von Hittisau bis Ottakring. Ihr geht Schubladen ja auch gerne mal aus dem Weg. Wie würdet ihr eure Musik beschreiben?

Michael: Ich glaube, dass unsere Musik sehr viel mit den Liveshows entsteht. Ein riesen Teil ist die Improvisation, wo noch was Neues entsteht.  Freejazz-Popmusikkapelle trifft es ziemlich gut. Die schönsten Melodien, aber auch die schrägsten und grausigsten Töne, die man sich vorstellen kann. Die Mischung und natürlich der Vorarlberger Dialekt machen es aus. Vor allem dieses Element, dass man sich über etwas aufregt. Die Vorarlberger*innen motzen oft. Das funktioniert einfach gut. Wenn man das in Songs packt, dann funktioniert das noch besser. Mich wundert es, dass das nicht viel mehr in der Musik Platz gefunden hat. Beim Wienerischen ist das durch das Wienerlied und durch Mozart, Nino aus Wien, Udo Jürgens eine total eine andere Kultur. Das ist viel etablierter. Unser Auftrag ist eigentlich insgeheim, dass wir Vorarlberg in den Austropop bringen.

Lukas: Nein übernehmen! Wir übernehmen den Austropop!

Eure Arbeit ist gerne mal ein bisschen selbstironisch. Worum geht es euch in eurer Musik?

Michael: Es gibt gewisse Themen, die eigentlich unwichtig, beziehungsweise einfach nicht relevant sind und über die man sich sehr gerne aufregt. Vor allem das Vorarlberger Volk. Zum Beispiel über das Rasenmähen, die Hecke oder die Höhe des Zauns und dieses Kleinkarrierte. Auf der anderen Seite ist Alkoholismus ein gewisses Thema, das sehr zelebriert wird und auch immer funktioniert. Man merkt, wenn dieses Element in den Texten drinnen ist, dann gehen die Leute einfach ab. Sie singen mit, wenn es um Schnaps oder um Bier geht. Eigentlich total hohl, aber es funktioniert. Das in einer ironischen Art in einen Song zu verpacken finde ich cool. Wir sind aber mit dem neuen Album schon ein bisschen weiter weg davon. Da geht es schon um ernstere Sachen, weil es mich genervt hat, dass Rosi Spezial nur mit Saufen in Verbindung gebracht wird. Aber gut, damit muss man rechnen. Aber es hat mich dann doch gereizt auch etwas Ernsteres zu machen.

Lukas: Wir haben letztens darüber gesprochen, dass Rosi Spezial eine der wenigen Bands ist, die so gar keinen Zweck erfüllt. Das heißt, wir stehen auf der Bühne und machen unseren Shit. Es gibt keine Erwartungshaltung, die wir erfüllen wollen. Das ist etwas ganz Besonderes, das hat man mit sonst keiner Band.

Michael: Dadurch, dass das nicht festmachbar ist, sind wir nicht eingeschränkt. Wir hatten mit unserer Musik schon Slots, wo ich mich gefragt habe: Was haben sich die Leute dabei gedacht, als sie uns gebucht haben? Sie kennen von uns vielleicht nur einen Song, aber wir stehen als Hauptslot eines Kulturfestivals unter einer Kirche bei einem Marktplatz mit ein paar hundert Leuten und spielen die abstrakteste, wildeste Musik. Einmal bin ich mit der Posaune vorne gestanden und hab kurz ins Publikum geschaut. Ich stehe in dieser Kathedrale mit irgendwelchen Gemälden, oben ein riesen Kirchentoreingang und vor mir waren die Leute zum Teil schockiert, aber auf eine gespannte Art. Ich spiele gar nicht Posaune, ich benutze das als Soundelement. Ich stehe mit diesem bescheuerten Outfit unter der Kirche, tröte in die Posaune, alle machen wildes Zeug und ich hab mir nur gedacht: Ich liebe dieses Projekt. Was da alles möglich ist. Genau darum geht es – dass man genau zu diesem Zeitpunkt auf der Bühne steht und das einfach total aufbricht. Wir sind an nichts gebunden, wir können überall spielen und den Leuten, denen es taugt, den taugt es und den anderen taugt es nicht. Aber das ist nicht mein Problem. Ich finde es immer cool, wenn eine Reaktion kommt. Schlecht ist nur, wenn gar keine Reaktion kommt.

Rosi Spezial
(c) Max Hatzl

Was inspiriert euch? Gibt es gewisse Künstler*innen, die euch in diese Richtung getrieben haben?

Michael: Ein großer Einfluss ist, dass wir alle vom Jazz kommen. Da spielt Improvisation eine riesen Rolle. Lukas König ist, was Schlagzeuger*innen betrifft, eine riesen Inspiration. Wenn wir schon bei Schlagzeugern*innen sind: Billy Martin, Deantoni Parks, Elvin Jones, Mark Guiliana und Christian Lillinger. Das ist ganz ein junger, deutscher Schlagzeuger, der auch sehr viel freie Improvisations-Geschichten macht.

Lukas: Das Äquivalent aus der Vergangenheit zu der Partie ist für mich Frank Zappa. Noch einmal ganz anders als wir, wegen der Mundart und weil die Texte viel improvisierter sind. Der Zugang zum Gesang bei Frank Zappa war ja total speziell und ist auch beim Michi speziell, weil er nämlich eigentlich keinen Zugang zum Gesang hat.

Michael: Genau! Deswegen gibt es den Barkeeper auf der Bühne, damit uns der mit Schnaps versorgt, damit meine Stimme auch Stunden übersteht. Für mich ist bildende Kunst generell eine riesen Inspiration, vor allem abstrakte Malerei ab der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Da ist so viel passiert, was auch mit Musik in Verbindung gebracht wird. Von graphischer Notation bis zu abstrakten Werken, die zu Musik gezeichnet worden sind. Wir haben früher eine Malerin auf der Bühne gehabt, die dazu malt.

Georg: Bei mir ist das eigentlich so, dass es oft irgendwelche Umgebungsgeräusche oder Gespräche auf der Straße sind.

Michael: Es gibt ja etliche Youtube-Videos von irgendwelchen alten Vorarlberger Leuten, die sich über etwas aufregen. Ich finde,  das ist für Rosi Spezial die Nummer 1 Inspirationsquelle für Texte. Unfassbar was die für Wörter innerhalb einer Minute rausschießen, in einem Style. Das sind die besten Rapper*innen überhaupt. Das hab ich noch nie gehört. Das ist extrem. Das ist bei Rosi Spezial für die Performance vom Textlichen eine riesen Inspiration für mich.

In euren Texten finden sich ja immer wieder Stellen, die als politisch interpretiert werden können. Seht ihr euch selbst als politisch, oder wollt ihr politisch sein?

Michael: Soll ich wieder?

Lukas: Sag du mal was Georgi.

Georg: Ich hab eh schon viel gesagt.

Lukas: Das schließt das ja nicht aus, dass du noch einmal was sagst.

Georg: Ich sag eh vielleicht noch was.

Michael: Es gibt einfach so viele Sachen, die mich aufregen. Da hab ich einfach mal Songs oder die Texte so geschrieben, ohne mich jetzt politisch auf irgendeine Seite zu schlagen. Es geht mir darum, dass gewisse Grundsätze mich stören. Die sind gesellschaftlich. Und Gesellschaft ist immer politisch. Also ist man automatisch politisch. Es war jetzt einfach mal ein Versuch mit Rosi Spezial auch Texte zu schreiben, die ernster, zeitgemäßer und gesellschaftlich ein bisschen kritischer sind. Dass das nicht so gut ankommt, wie wenn man jetzt über Schnaps singt, ist auch klar. Aber das war auch nicht meine Intention.

Könnt ihr ein bisschen über die Entstehung eures letzten Album „Alles Isch Alles“ erzählen?

Michael: Wir haben ein Stipendium bekommen, dass wir einen Monat in Paliano, in Italien, einen Raum oder eine kleine Wohnung zur Verfügung hatten, die wir nutzen können. Unser Konzept, dass wir ein Album dort aufnehmen, ist eigentlich ziemlich gut gelungen. Überraschend gut. Ich finde diese Arbeitsweise extrem cool. Auch vom Sound, obwohl es so vielseitig ist und so viele Wechsel drinnen sind. Es hat einen roten Faden. Ich würde das gerne wieder einmal machen, dass man sich so einen Monat nimmt. Dass man nicht über die Jahre Songs ansammelt und dann ins Studio geht.

Lukas: Ich habe zehn Tage in einem ehemaligen Viehstall geschlafen. In Italien, in der Hängematte. Die Alternative wäre gewesen, ich hätte mit dem Bassisten im Bett schlafen müssen.

Ihr macht ja in erster Linie live Musik. Ihr habt wieder Auftritte, aber es gibt immer noch die Corona-Pandemie. Wie geht es euch damit?

Michael: Es ist komisch. Die Sitzkonzerte irritieren mich ein bisschen. Es wirkt wie eine Nachmittagsmesse, wie so ein Religionsverein. Und dann singt man gemeinsam. Ganz absurd, aber es hat auch was. Jetzt muss ich wieder zum Thema Schnaps zurückkommen. Ich hab das kompensieren müssen, weil wir jetzt zum Teil um 17 Uhr gespielt haben. Es war noch hell draußen und die Leute sitzen und ich dachte, ich muss das brechen und hab dann zwei Bier und Schnäpse davor getrunken, damit ich in die Stimmung reinkomme. Also der Alkohol spielt doch eine große Rolle. Ich kann es nicht bestreiten. Im September haben wir es eben so gemacht, weil das Rhiz ist echt klein und die sind auf 35 Personen beschränkt. Jetzt spielen wir einfach zwei Shows, die Leute reservieren im Vorfeld, wir spielen eine Show um 20:30, die zweite um 22:00, damit sich das für uns rentiert.

Ihr habt im Sommer hauptsächlich in Vorarlberg gespielt. Macht das für euch einen Unterschied ob ihr in Wien oder in Vorarlberg spielt?

Michael: Wien ist nach wie vor, von den Konzerten und der Stimmung des Publikums, mit Abstand am besten. Ich glaube das liegt an der Szene. Die Leute sind mehr gewohnt da. Die wissen was auf sie zukommt. In Vorarlberg ist man viel schneller an dem Punkt, wo du merkst, die Leute sind überfordert.

Lukas: Wir ziehen natürlich auch die richtigen Leute an. Was wir uns beim letzten Gig in der Villa Müller alles geleistet haben. Da finde ich tut man den Vorarlberger*innen unrecht. Da haben wir uns musikalisch echt so ziemlich die Kante gegeben. Wenn ich jetzt zum Beispiel so ein Festival in Wien hernehme, sagen wir mal wir würden jetzt beim Jazzfest oder auch beim Popfest auftreten, dann wären die Leute ähnlich überfordert, wie in Vorarlberg beim Poolbar Festival. Da kommen Leute hin, die nicht unbedingt damit rechnen, was da alles passiert. Darum glaube ich, wenn wir die richtigen Leute anziehen, die Location zur Band passt und man vielleicht auch noch so eine geile Vorband wie die Fitten Titten hat, dann hat man gewonnen. Dann kann man machen was man will. Nach den Fitten Titten ist nichts mehr absurd.

Rosi Spezial
(c) Max Hatzl

Michael, du bist unlängst Vater geworden. Wie hat sich dein Leben seit dem verändert?

Michael: Mein Leben hat sich ziemlich verändert. Ich bin strukturierter geworden. Anfangs hat es mich erst mal ziemlich aus der Bahn geworfen, weil ich nicht gewusst habe, wie ich meine Existenz als Musiker weiterführen kann. Aber ich muss sagen, ich bin seither, mein Sohn ist jetzt 2 1/2, so produktiv wie noch nie. Ich glaube, es ist einfach nur eine Sache der Einteilung. Aber es verändert sich alles. Man muss immer den Terminkalender managen. Sie ist auch Künstlerin und dann gibt es eben viele Überschneidungen. Dann heißt es: Wer gewinnt das Konzert oder die Ausstellung? Dann wird es unangenehm. Aber kann man alles regeln.

Wie kann man euch jetzt denn am besten unterstützen?

Lukas: Man kann einfach versuchen, selbst zum Ausdruck zu bringen, wie relevant Kultur ist. Das ist momentan ein wichtiges Thema und jeder, der da ein bisschen dahinter steht und einmal seine Meinung bekundet, ist schon viel wert in so einer Zeit, in der gerade die Frage ist: Was fördert man, was unterstützt man?

Habt ihr jetzt gerade konkrete Pläne für die Zukunft?

Michael: Wir haben jetzt gerade einen neuen Song aufgenommen und wir wissen noch nicht genau wann wir ihn releasen. Es stehen noch ein paar Konzerte an. Aber es macht momentan nicht viel Sinn Konzerte zu planen. Ich habe auch mit anderen Projekten gemerkt, dass die nacheinander wieder abgesagt werden. Das nervt einfach irrsinnig.

Lukas: Der Michi macht ein Video in einer Burgruine über Feldkirch. Wir werden Schwert kämpfen.

Michael: Das ist noch sehr vage. Da müssen wir noch schauen.

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