Vienna Rest In Peace x Kreisky

,,So romantisch darf Musizieren sein‘‘ | Kreisky x Vienna Rest In Peace #1

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Trifft Kreativität aufeinander, fliegen bekanntlich Funken. Umso mehr, wenn besagte kreative Köpfe bereits langjährige musikalische Weggefährten sind und sich einen Abend Zeit nehmen, um zu reden. Ausführlich, und ohne Blatt vor’m Mund: Kreisky x Vienna Rest In Peace.

Da knappe zwei Stunden Audiospuren vorhanden sind, werden diese im Rahmen einer mehrteiligen Serie publiziert. Beteiligte Gesprächspartner sind Klaus Mitter (Schlagzeug, Kreisky), Martin Max Offenhuber (Gitarre, Kreisky), Ralph Wakolbinger (Schlagzeug, Vienna Rest in Peace) und Wolfgang Wiesbauer (Gesang, Vienna Rest in Peace).

Ihr seid fixe Konstanten in der österreichischen Musikszene. Wie seht ihr euch da verankert?

Man fängt eben irgendwann an Musik zu machen. Dann folgt eventuell ein Standortwechsel, wie in unserem Fall von Oberösterreich nach Wien, in unterschiedlichen Migrationsphasen hat es uns hergespült. Dann arbeitet man so vor sich dahin, irgendwann hat man mehr oder weniger Aufmerksamkeit, irgendwie ist man eh immer dabei, schaut auch immer über den Tellerrand, was machen andere, wo bewegt es sich insgesamt hin, wobei das mit der eigenen Musik weniger zu tun hat. Man hat das Ganze automatisch im Blick, aber man arbeitet an den eigenen Sachen.

Man beginnt, Bands zu sammeln, in durchaus zwanghaften Ausmaßen. Was uns alle vier an diesem Tisch vereint, ist, dass wir konstant Dinge machen, Sachen rausbringen. Wir haben alle schon in unterschiedlichsten Konstellationen zusammengespielt, es passiert jedenfalls etwas. Ob das dann erfolgreich ist und in welchem Maße, ist dann hingegen wieder Interpretationssache.

Ist es in Ordnung für euch, Kompromisse einzugehen, damit man mehr Leute durch den Sound erreicht?

Kompromisse kann man an vielen Stellen eingehen. Man könnte in unterschiedliche Sounds reingehen, weil man glaubt, dass dieser mehr Leuten gefällt. Es kann sich auch die Art ändern, wie man den Sound verkauft, man kann ständig an Stellschrauben drehen.

Ich finde grundsätzlich alles gut, jeder soll es so machen, wie er mag. Ich habe mit diesen ungeschriebenen Underground-Gesetzen eigentlich immer ein wenig gehadert, weil sie mir sehr willkürlich und rigide vorkamen. Die Einteilung, das ist Underground und alles andere schon automatisch Mainstream, diese Sachen haben sich doch hoffentlich vor 10, 15 Jahren aufgelöst. Es gibt aber natürlich auch Künstler, die in die Richtung tendieren, in die der Wind gerade hinweht. Aber wenn sie dann dort ankommen, sind sie meistens wieder ein paar Jahre hinten, dann interessiert es auch niemanden mehr. Das, finde ich, ist Vergeudung von Zeit, Energie und auch Talent; Sind ja öfters gute Leute, die dann ein wenig hinten nach sind, qualitativ gut arbeiten, aber nie zu sich finden. Balance ist wichtig, man kann sein Ding machen, aber das heißt gleichzeitig nicht, dass es größeres Gehör findet.

Bezüglich der Kompromisse, es ist ja auch nicht gesagt, dass wir das nicht die ganze Zeit probieren.

Ich finde auch, dass alles immer ein einziger, riesiger Kompromiss ist.

Ich glaube, man kann kein Bandprojekt betreiben, wo mehrere Leute halbwegs gleichberechtigt mitarbeiten, ohne Kompromisse einzugehen, alleine schon was Zeitbudget oder was auch immer betrifft. Bezüglich musikalischer Kompromisse ist das für mich etwas schwer, weil ich das nicht wirklich kann, zuerst ein Konzept zu haben, und dann die Musik dazu zu machen. Für mich ist ein ergebnisoffener Zugang wesentlich interessanter, wenn man selbst noch nicht ganz weiß, was am Schluss rauskommen wird. Insofern ist das auch schwierig zu sagen, ich mach das so, weil es dann vielleicht erfolgreicher wird. Das funktioniert, glaube ich, meistens nicht.

Man müsste dann im Endeffekt die absoluten Zahlen sehen. Nur weil man sagt, das ist ‚der‘ Sound, und dann emuliert man sich dorthin. Wozu? Wir sind ja nicht unbedingt Pop-Bands, ohne das abwerten zu wollen. Aber da gibt es wieder andere Gesetzmäßigkeiten, andere Arten, wie das Konzept verkauft wird, aber auch wie die Komposition funktioniert und wie es klingen soll.

Und wir haben auch schon miteinander jede Menge Platten gemacht. Und immer wieder das gleiche, ehrliche Album zu machen, welches aus einem selber kommt, würde wohl zu viel Redundanzen führen, und für den Zuhörer vielleicht nicht ganz so spannend sein. Also das eine oder andere auszuprobieren, ist, glaube ich, unerlässlich. Auf den Ausgangssound kann man sowieso wieder zurückkommen, aber irgendwie ist es schon nötig, dass man über den eigenen Schatten springt.

Man muss sich manchmal auch in eine Zone begeben, wo man sich nicht gleich wohlfühlt, damit man aus dem üblichen Musik-machen rauskommt. Wenn man sagt: ,,probieren wir mal was aus“.

Eigentlich ein neo-liberaler Gedanke. Aus der Wohlfühlzone heraus, dann hat man ein bisschen mehr Motivation, und ist produktiver, ist am Arbeitsmarkt begehrter.

Dieses sich ständig neu erfinden, wie bei David Bowie, ist der Neo-Liberalismus in Reinkultur (lacht). AC/DC, das ist was Bodenständiges, die machen einfach 40 Jahre das Gleiche. Aber ich muss eigentlich auch sagen, ich bin auch der Meinung, es muss eine gute Mischung sein, sich selber challengen, etwas zu verändern, und dann wird es erst interessant.

Suche nach Kompromissen, so klingt der Musikmarkt momentan, ist mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit eine Sache, bei der man fällt, das geht sich oftmals nicht vernünftig aus, vor allem auf Dauer nicht. Was Bands, die jetzt hier am Tisch sitzen, ausmacht, ist, dass man länger an einer Sache dran bleibt, was zwar heißt, dass man natürlich Kompromisse mit dem Gegenüber eingeht, dass man es sich ausmachen kann, sich einigen kann, musikalisch vielleicht durch andere Sounds, Instrumentierung und Themen wieder neu begegnet, aber das Ausmachen und die Sprache bleibt eigentlich über die Dauer gleich. Die Art des Kompromissfindens wird zwar mit den Jahren feiner, man kennt sich dann schon besser, man kennt die Bandsprache besser, aber das ist, was es ausmacht, das ist der Grund, warum man zusammenbleibt. Bandprojekte, wo Ton, Sprache, Kommunikation, das Musizieren generell irgendwie ruppig wird, oder zu schwierig wird, lässt man dann irgendwann sein. So romantisch darf Musizieren sein, und so wenig Zeit haben wir, dass wir uns das gönnen dürfen, dass Musik großteils was Schönes ist, eine Qualitätszeit sein soll, drum ist der Kompromiss etwas ganz Wichtiges. Aber nicht um jeden Preis, man darf sich schon auf dünnes Eis begeben, man darf hinfallen. Die Frage ist, wenn man hinfällt, wie dann die anderen darauf reagieren. Das ist jahrelanges Sich-Kennen.

Der Kompromiss, um mehr zu erreichen, um das Publikum zu vergrößern. Aber es gibt auch die Möglichkeit, andere künstlerische Ausdrucksweisen zu finden, das ist wohl das Gebiet, wo wir uns bewegen, nicht das Schielen auf den kurzfristigen Erfolg von einer gerade angesagten Schiene, das haben wir, glaube ich, alle nicht ganz drauf. Wir sind wohl alle eher Jahrzehnte hinten.

Da sind wir auf jeden Fall untalentiert, über alle Platten hat sich das gezeigt.

Aber alles, was jetzt ist, hat eben auch wieder seine Ursprünge, auch wenn es nicht dem eigenen, originären Bereich entspricht.

Wir sind eher zeitlos, um es zu verkürzen.

Schön, Kreisky, zeitlos.

Das könnte ein Plattenname von der Steffi Werger sein.

Oder von STS (lacht).

Oder die Best-Of-Platte von euch, die bald kommt?

Nein, die heißt anders. Da haben wir schon den Titel.


Kreisky Rest In Peace #2 erscheint am 29.11.2019!

Wer bis dahin beruhigt weiterweinen möchte, dem sei empfohlen, Tickets für den 30.11.2019 – Vienna Rest in Peace – ORF RadioKulturhaus Wien (Linkzu erwerben!

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