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Ich will keine Mutter sein – „Nie, nie, nie“ Rezension

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Was passiert, wenn eine Frau keine Mutter sein will? In „Nie, nie, nie“ (Dumont) widmet sich die norwegische Autorin Linn Strømsborg einem Thema, mit dem nahezu jede Frau irgendwann konfrontiert wird. Ihr vierter Roman ist der erste, der auch in deutscher Übersetzung erscheint. Es ist ein zarter Roman, der vom Muttersein, von Weiblichkeit, von Liebe und Freundschaft erzählt.

Die WHO hat kürzlich für einen kleinen, aber zumindest in feministischen Kreisen hörbaren, Aufschrei gesorgt. Frauen im gebärfähigen Alter sollten keinen Alkohol trinken, hieß es in einer Empfehlung. Die Kritik daran: Warum geht die Weltgesundheitsorganisation davon aus, dass alle gebärfähigen Frauen denn auch Kinder wollen? Was ist mit jenen, die sich ganz bewusst dagegen entscheiden? „Nie, nie, nie“ erzählt die Geschichte einer solchen jungen Frau. Sie will keine Kinder, wollte noch nie welche, nicht aus Angst oder weil ihr der richtige Partner fehlt, sondern weil sie einfach keine will.

Der Roman kreist nur um dieses eine Thema, das Mutter-Sein oder eben Nicht-Mutter-Sein. Dabei streift die Erzählerin scheinbar nebenbei zentrale Fragen des Lebens. Welche Erwartungen stellen wir an eine Frau? Was bedeutet Weiblichkeit? Was Freundschaft? Kann Liebe funktionieren, wenn der eine Kinder will und die andere nicht? Und nicht zuletzt: Was dürfen wir vom Leben erwarten? Es ist ein unheimlich zärtlicher Roman, erzählt von einer lebenshungrigen Stimme, die in den großen Dingen keine Kompromisse kennt und doch in den kleinen immer wieder das Schöne findet.

Kinder zu bekommen, eine Familie zu gründen, ist die Norm, der natürliche Lauf der Dinge, patriotische Pflicht, die logische Konsequenz einer Partnerschaft, das Allheilmittel gegen Einsamkeit und lebenswichtige Altersvorsorge. Dass die Erzählerin diese Argumente bei anderen zwar nachvollziehen kann, für sich selbst und das eigene Leben aber völlig andere Prioritäten setzt, sorgt bei den anderen Figuren im besten Fall für Irritation, im schlechtesten für Ablehnung.

„Ohne Kinder wird man so furchtbar egozentrisch, man hält sich für den wichtigsten Mensch auf Erden. Ehrlichgesagt sind mir Menschen, die keine Kinder wollen, nicht ganz geheuer.“

Die Mutter strickt Babygewand, die beste Freundin wird selbst Mutter, die große Liebe trennt sich von ihr. Irgendwann will sie es nicht mehr erklären. Doch keine Kinder bekommen zu wollen, ist keine Entscheidung, die man für sich allein trifft. Wenn es um den weiblichen Körper geht, will jeder noch so entfernte Bekannte plötzlich ein Mitspracherecht. Man versucht ihr die Mutterschaft schmackhaft zu machen und schwärmt von einer Art von Glück, die sie als Kinderlose nie verstehen wird. Man unterstellt ihr Bindungsängste, Unreife, Egoismus. Man spielt den Geduldigen, denn irgendwann wird sie ihre Sturheit schon aufgeben. Doch die Erzählerin bleibt beim titelgebenden „Nie!“.

„Ich bin keine Mutter und will auch keine werden. Ich hab mit mir selbst genug zu tun. Vom Tag meiner Geburt bis zu dem Tag, an dem ich sterbe, werde ich mit mir zusammengelebt haben. Das reicht mir.“

Der Roman erzählt von einem Dilemma, dem sich jede Frau früher oder später stellen muss. Dabei ist die Sprache der Erzählerin bunt, lebendig und ehrlich. Es ist ein gesellschaftlich brisantes Thema, dem sich die Autorin widmet, aber eben auch ein höchstpersönliches. Zwischen diesen beiden Ebenen springt die Erzählerin so leichtfüßig hin und her, dass der Ton nie moralisierend oder wertend wird. Es gibt keine falschen Lebensentwürfe. Der Roman erzählt von einer starken und kompromisslosen Frauenfigur. Am Ende geht es aber vor allem um eines: ein lautes und unüberhörbares „Ja!“ zum Leben.


Wer sich für skandinavische Literatur interessiert, findet hier unser Porträt des Nord Verlags. 
Titelbild: (c) Lea Moser/Cover: Dumont

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