Hin und Weg Litschau

Hin & Weg: Litschau – The place to be

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Kennt ihr eigentlich schon Litschau? Nein? Das beschauliche Örtchen an der tschechischen Grenze ist nicht nur Luftkurort und die nördlichste Stadt Österreichs, sondern auch bereits zum dritten Mal Gastgeber des Theaterfestivals HIN & WEG – Tage für zeitgenössische Theaterunterhaltung. Noch nicht überzeugt? Dann unbedingt weiterlesen: Wir waren am ersten Wochenende dort.

Während eine Etage höher die Isolierten in ihren Containern schwitzen und sich der (freiwilligen?) Selbstvereinsamung stellen, plantschen die Festivalbesucher*innen ausgelassen im Ufergesöff des Strandbads am Herrensee, bevor es zur nächsten Küchenlesung geht. In Litschau, da ist die Welt noch in Ordnung. Von Anzeichen einer gewissen Pandemie scheint man hier – bis auf die aufgestellten Klappschilder mit den entsprechenden Veranstaltungsmaßnahmen und den vehement nicht geschüttelten Händen – erfolglos zu suchen. Hat man sich erst einmal seiner persönlichen Daten beim Ticketkauf entledigt, ist auch die letzte Hürde hin & weg.

Theater findet statt

Da fährt die Eisenbahn drüber. Die zeitgenössische Theaterszene hat genug vom Ausfall. Hier wird so lange am Programm herumgeschoben, bis die Spieler*innen auf der Bühne und die Zuschauenden in den Strandstühlen platziert sind. Dass deswegen dieses Mal für alles ein extra Ticket gekauft werden muss, ist zwar mühsam, aber besser als gar kein Festival. In der Eröffnungsrede plädieren die künstlerischen Leiter*innen Zeno Stanek, Katharina Stemberger und Ernst Molden für Solidarität und Zusammenhalt unter den Künstler*innen:

Kunst ist ein Lebensmittel und wir Künstler*innen sind systemerhaltend. Was immer wir verändern wollen, wir müssen es gemeinsam tun.

Uraufführer*innen

In der Moorbucht, ein Spaziergang vom zivilisierten Badebereich entfernt, steckt Ophelia (Ylva Maj) im Schlamm des Uferwassers. Sie will nicht länger die Nebenrolle spielen. Wie kann Hamlet (Marius Zernatto) darauf reagieren? Wo ist sein Platz in einer Welt, in der die Frauen aufzustehen beginnen, mit Schlamm nach Donald Trumps und Harvey Weinsteins schmeißen und das Publikum auffordern – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht länger nur stumm zuzusehen?

Thyl Hanscho, Regiestudent des aktuellen Abschlussjahrgangs des Max Reinhardt Seminars, hat gemeinsam mit Desireé Luttermann eine angelehnte Fassung von Shakespeares und Heiner Müllers Hamlet auf die Waldbühne gebracht, die im besten Sinne präsentiert, dass der Theaternachwuchs das zeitgenössische Theater neu definieren wird. Nicht zuletzt wurde die dafür zur Verfügung stehende Kulisse sowohl visuell als auch akustisch so fantastisch in Szene gesetzt, dass diese Neuproduktion wohl unverkennbar das Highlight des diesjährigen Hin & Weg sein muss.

Lagerfeuerstimmung par excellence

Am Samstagabend wehen zarte schweizerdeutsche Töne durch das Herrenseetheater. Julia Costas Stimme singt so berührend vom Leben, wie Martin Bayers Gitarre dazu zu spielen versteht. Nach dem Konzert hat das Publikum noch nicht genug und lockt die beiden zum knisternden Lagerfeuer, wo sie die halbe Nacht weiterspielen. Auch die Besucher*innen lassen sich von diesem Ambiente zum Singen und Spielen anstecken.

Herrensee in Litschau
Litschau ist mit seinem Badesee der optimale Ort für ein Sommerfestival.

Die English Lovers sind in Österreich längst das Aushängeschild des Improvisationstheaters und dürfen deswegen natürlich auch bei Hin & Weg nicht fehlen. Anne Weiner, Jim Libby und Dennis Kozeluh sind so effortlessly spontan in ihren Pointen, während sie von David Wagner mit wahlweise drei bis fünf Instrumenten (an denen er angeblich „sucks“) begleitet werden. Dabei schaffen sie es nicht nur die komplett improvisierte Aufführung grandios komisch zu gestalten, sondern auch immer den richtigen Ton in ihren Aussagen zu treffen. Und geht einem das Tageslicht aus, hilft halt einfach das Publikum mit Handytaschenlampen aus. Am Samstag könnt ihr sie beim Kultursommer Wien beäugen, am Sonntag noch einmal in Litschau.

Sollte euch am Wochenende Lust auf Stadtflucht ergreifen, wisst ihr also, wohin mit euch. Dann darf auch das kollekTief  wieder die Seeluft erschnuppern und in einer Abschlussperformance Bilanz ziehen. Litschau ist der gutartige Hotspot Österreichs in diesem Sommer.


Weitere Informationen

Hin & Weg Festival: www.hinundweg.jetzt

Mitglieder der IG Freie Theaterarbeit und alle Menschen von 6 bis 26 (bzw. Ö1 Intro) erhalten an der Tageskassa 30% Ermäßigung auf die Vorstellungen.

Aus dem Ruhrgebiet. Studentin der Komparatistik und der Kommunikationswissenschaften.

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