„Im Hip Hop gibt es keine Frauenrechte“?

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Der deutschsprachige Hip Hop ist mittlerweile tief in der Frauenfeindlichkeit versunken. Ohne erkennbare Bemühungen, dem entgegen zu wirken, so sollte man meinen, liest man einen der vielen Berichte und Diskussionen, die zu diesem Thema zur Zeit wieder kursieren. Und das keineswegs zu Unrecht. Wenn man Lines wie „Ich will keine Frauen, ich will Hoes. Die müssen blasen wie Pros“ in Flers Track Fame hört – das ist bei weitem kein Einzelfall – scheint jede Hoffnung verloren.

In Edgar Wassers Track „Bad Boy“ heißt es: „Im Hip Hop gibt es keine Frauenrechte. Das ist ein Hotel und alle Nutten müssen auschecken“, womit das Deutschrap Klischee mal wieder perfekt bedient wäre. Etwas später im selben Track heißt es dann: „Es ist nicht dumm Frauen Huren zu nennen, das macht Kollegah auch und der ist klug, der ist Jura Student“ oder „Hip Hop ist ein Spiegel der Gesellschaft und darin sieht man halt scheiße aus, wenn man das weibliche Geschlecht hat.“

Wurde hier auf geniale Weise die Erwartungshaltung genutzt, um auf ein Problem in der Hip Hop Szene aufmerksam zu machen oder handelt es sich um einen weiteren geschmacklosen Versuch, durch das Erfolgsrezept Frauenfeindlichkeit Hype zu generieren?

Auf der Albumversion des Tracks findet man am Ende noch zwei Statements, davon eines aus einem Interview mit der Rapperin Sookee.
„Es gibt ja einfach wenige Frauen, die rappen. Warum?“ – Blackspin

„Ich glaube das liegt daran, dass wir in einer Gesellschaft leben, die Frauen einredet, dass sie keine Wut haben dürfen. Und für Rap braucht man schon ’n bisschen Wut.“ – Sookee

In ihrem Track „Die Freundin von“ erzählt sie unter anderem von ihren Erfahrungen, sich als Frau in Gesellschaft und Hip Hop Szene zu positionieren. Sie ist wohl ein Paradebeispiel für antisexistischen, antifaschistischen, Queer-suportenden deutschen Hip Hop. So auch im Track „Zusammenhänge“, den sie gemeinsam mit Spazial-K für „Spuck auf Rechts“ geschrieben hat. Mit diesem Projekt sind wir nun also in der ganz anderen Ecke des deutschsprachigen Hip Hop gelandet. Mit inzwischen 56 Tracks geben dort Rapper*innen Antifaschismus und Antisexismus eine laute und klare Stimme.

Worin genau liegt also die Krux im deutschsprachigen Hip Hop? Ist es die Aufgabe von Hip Hop ein Spiegel der Gesellschaft zu sein und gibt es deshalb für diese Kunstform keine Tabus?
Fler sagte in einem Interview: „Wenn man meine Musik ändern will, dann ändere doch meine Welt, in der ich lebe. Ganz einfach. Nur weil Leute, die das kritisieren, das Glück haben, in einer Welt ohne Kriminalität und Gewalt aufzuwachsen, heißt es noch lange nicht, dass das für jeden gilt.“

So einfach kann man es sich da aber nicht machen, denn die Darstellung eines in der Gesellschaft vorhanden Weltbilds als Kunstform ist eine Sache, eine ganz andere ist, wie damit umgegangen wird. Das heißt nicht zuletzt, wie diese vermarktet und rezipiert wird. In der Art, wie sich deutschsprachiger Hip Hop oft präsentiert, wird er in genau diesem Punkt der gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht. Die vermeintlichen Repräsentanten (hier bewusst nicht gegendert) der Straße werden dadurch schnell zu Vorbildern, die genau das glorifizieren, was sie darstellen.

Fatoni findet dazu in seinem Track „Drittstärkste Kraft“ sehr passende Worte:

„Richtiger Rap geht nicht in politisch korrekt.
Deswegen sag ich ‚bitch‘ bevor ich sag, ihr seid mir alle bisschen zu rechts (Mittel zum Swag!)
Eine Frage hab ich aber noch: Wie is‘n das jetzt?
Nazis sind immer scheiße, oder? Aber Sexismus ist fresh?! (bitch!)
Ja, okay cool, dass ich das jetzt auch checke.
Ihr habt so oft gesagt, dass Rap kein Sexismusproblem hat, sondern nur ein Spiegel der Gesellschaft ist, dass ich es fast geglaubt hätte.“

Hip Hop ist hart und ehrlich. Hip Hop ist oft nicht politisch korrekt und sehr zynisch. Auch das kann und soll man verurteilen. Die Frage für mich ist jedoch, ob Hip Hop sich selbst als Szene und im besondern die Künstler*innen ihrer Kunst kritisch gegenüberstehen. Und ja, diese Verantwortung haben auch die „authentischen“ Rapper von der Straße.

Gitarre- und Tonmeister-Studium.
Band-member of Full Of Thoughts.
Teilzeit Physikstudent.
Teilzeit politisch aktiv.
Nie wirklich Zeit für die Teilzeit-Aktivitäten...

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