Mensch geht eine Straße entlang

VorLaut – Lieber HC Strache

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Lieber HC Strache, so könnte eigentlich auch eine Kolumne von Michael Jeanée beginnen. Heute mal einen ganz persönlichen Liebesbrief. Oder vielleicht eine Danksagung. Eine Danksagung an einen, der mich politisiert hat. An das Rechtsstaats-Schreckgespenst. Den Rattenfänger. „Gefährlicher als der Strache?“

Als ich vor eineinhalb Jahren vor dem Bundeskanzleramt stehe, fällt mir ein Freund weinend in die Arme. „Seit ich ein Kind bin, muss ich Straches Gesicht in Busstationen, neben einem hasserfüllten Spruch plakatiert sehen. Nie wieder.“

Nicht nur mein Freund, wir alle hatten HC ein wenig überschätzt. Ich persönlich war der Meinung, dass jeder Mensch mit einem Funken Respekt vor sich selbst, still und leise das Handtuch werfen müsste. Als Politpensionist irgendwann doch in die eine oder andere Talkshow geladen, hätte er dann seinen größten politischen Fehler Revue passieren lassen. Vielleicht gäbe es zum zehnjährigen Jubiläum des Skandals einen autobiografischen Bestseller. Und das wäre es dann gewesen mit dem Strache.

Diese wohlige Vorstellung gönnt uns HC aber einfach nicht. Ob hinter seinen stetigen Comeback-Versuchen tatsächlich ein beachtliches Stehaufmännchen, oder bloß ein gebrochener Showman steckt, bleibt wohl noch offen. Strache hat in einer Debatte einmal gesagt: „Herr Haider, sie sehen Politik immer aus der selbstverliebten Brille ihres Narzissmus.“ Wie der Vater so der Sohn?

HC Strache hat zweifellos tausende Menschen beeinflusst. Auf Demos gegen Rechts stand sein Gesicht synonym für all das, wogegen man war. Viele definierten ihr Pro durch sein Contra. Insofern war er auch für progressive Menschen eine Schlüsselfigur. Nicht zuletzt für mich. Lange Zeit hat Strache die österreichische Politiklandschaft gekonnt vor sich hergetrieben. Was er sagte, war Thema. Das ÖVP-Programm zeigt das besonders deutlich. Diese Macht hat er tatsächlich nicht mehr.

Ich würde mir wünschen, dass das ein Abschiedsbrief wäre. Die sind immer leichter zu schreiben. Der Adressat kann dann nämlich nicht mehr antworten. HC Strache wird aber wohl noch so einiges von sich geben. Vielleicht wird das, was er sagt, nicht relevant genug sein, um darauf antworten zu müssen. Strache ist alt geworden. Er ist nicht mehr das Energiebündel, das Tausende am Viktor Adler Markt hochgepeitscht hat.

Ganz sicher bin ich mir da aber nicht. Wenn es nach Strache geht, sind wir bald Kollegen. Er sucht gerade nach Geldgebern für ein Medienunternehmen. Und wenn er dann in seiner Onlinemedien-Plattform hetzt, dann muss man vielleicht doch wieder dagegen anschreiben. Da lässt einem die Verteidigung einer offenen Gesellschaft wohl keine Wahl.

Bis dahin kann man Strache aber getrost vergessen. Das hat man sich dann auch mal verdient. Wenn Strache Strache bleibt, dann kommt er ohnehin früh genug wieder.

Comitted to the best obtainable version of the truth.

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