Schüler beim Sport

„Oft sitzen in einer Klasse mehr als 100 Schüler“ – Abednego Lwakatare von Jambo Bukoba im Interview

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Anfang des Monats habe ich von meinen Erfahrungen in Tansania berichtet, von den Höhen, den Tiefen und meinen Problemen mit Bananen. Darüber, vor welchen Herausforderungen Jambo Bukoba noch steht und wie die Arbeit der Organisation konkret aussieht, habe ich mit Abednego Lwakatare gesprochen.

Stell dich unseren Lesern bitte einmal kurz vor: Woher kommst du und was sind deine Aufgaben bei Jambo Bukoba?

Ich bin Abednego Lwakatare,  bin 32 Jahre alt und hier in Bukoba (Tansania) geboren, ich habe auch eine Zeit lang in Deutschland gelebt. Ich habe vier Geschwister und arbeite seit September 2018 für Jambo Bukoba.

Wie kam es dazu, dass du in Deutschland gelebt hast?

Mein Vater ist Pastor hier in Bukoba, damals gab es eine Kooperation zwischen zwei kirchlichen Diözesen, eine in Deutschland (NRW) und eine hier in Tansania. Mein Vater ist damals mit uns für sechs Jahre nach Deutschland gezogen und hat dort an einer Kirche gearbeitet. Dort habe ich dann die Grundschule und das Gymnasium besucht. Seit 1998 lebe ich wieder in Bukoba. In Deutschland war ich seither nur noch einmal.

Wie würdest du Jambo Bukoba beschreiben?

Jambo Bukoba ist eine Organisation, die versucht, die Bildung an den tansanianischen Schulen zu verbessern. Außerdem setzen wir uns für eine verbesserte Gesundheit der Kinder und bessere sanitäre Hygienebedingungen an den Schulen ein. Im speziellen steht da HIV/AIDS-Prävention im Vordergrund. Aber es soll auch die Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen gefördert werden.

Was sind deine Aufgaben bei Jambo Bukoba?

Ich bin Travel-Advisor und Junior-Project Manager. Ich habe Physical Education/Sport Science studiert, das bedeutet, ich mache alles, was mit Sport und sportlicher Weiterbildung in unserer Organisation zu tun hat. Als Travel Advisor begleite ich Menschen, die Jambo Bukoba besuchen und sich unsere Projekte anschauen oder auch mitmachen wollen. Das geht dann zum Beispiel im Rahmen einer Learning Safari. Ich zeige ihnen das Land und die hier herrschende Kultur.

Welche konkreten Projekte betreibt die Organisation?

Konkrete Projekte sind beispielsweise der Bau von Latrinen (Hocktoiletten), das Errichten von neuen Klassenräumen, die Erneuerung oder der Bau von Wassertanks. Denn man muss sich vorstellen können, dass viele Schulen gar kein oder zu wenig Wasser zur Verfügung haben. Das bedeutet, die Schüler müssen häufig während des Unterrichts Wasser vom nahegelegenen Fluss holen, dadurch verlieren sie Zeit, die sie eigentlich zum Lernen hätten nutzen können. Neben den Bauprojekten organisieren wir auch Workshops, um Lehrern – und im speziellen Sportlehrern und Gesundheitslehrern – zu zeigen, wie sie den Kindern mit den Spielen von Jambo Bukoba sogenannte „Life-Skills“ beibringen können. Zu diesen „Life Skills“ gehören die Aufklärung von Mädchen und Jungen, die Gleichberechtigung von Mädchen, die Auseinandersetzung mit Themen wie HIV oder anderen Krankheiten, um diese für die Kinder nahbar zu machen und auch die Förderung von Teamgeist, Selbstvertrauen und kooperativem Verhalten.

Wie genau werden die Bauprojekte für die Schulen organisiert?

Eine Schule bekommt normalerweise ein Bauprojekt, also Unterstützung von uns, wenn sie in einer sogenannten „Bonanza“ gewinnt. Das sind Wettbewerbe, bei denen die Jambo Bukoba-Spiele gespielt werden. Jeder Bezirk hat pro Jahr im Oktober eine Bonanza, es gibt acht Bezirke und insgesamt 48 Schulen die teilnehmen. Jede Siegerschule im jeweiligen Bezirk erhält ein Projekt. So funktioniert es am besten, denn mehr als acht Projekte sind für uns schwer umzusetzen, da wir ja auch erstmal die Gelder organisieren müssen. Die Gemeinden, in denen die jeweiligen Schulen sitzen, sollen dabei auch miteinbezogen werden und gemeinsam mit uns arbeiten. So können sie auch einen Teil der Kosten für das Bauprojekt übernehmen. Die Idee hinter den Wettbewerben ist, dass die Lehrer die Spiele lernen und diese dann an die Schüler weitergeben. Und wenn diese Spiele regelmäßig gespielt werden, haben die Kinder die erforderlichen Skills erlernt und auch verinnerlicht.

Was kann man sich unter einer Learning Safari vorstellen?

Die Learning Safari ist ein Projekt von Jambo Bukoba, bei dem man Bukoba und unsere Organisation kennenlernen kann. Das jedoch nicht nur aus der Ferne, über eine Fernsehsendung oder über einen Artikel in der Zeitung, sondern indem man es hier selbst erlebt. Wir besuchen die (Bau-)Projekte von Jambo Bukoba und die Schulen, mit denen wir zusammenarbeiten. Dabei können die Menschen auch für einige Tage oder Wochen bei einer lokalen Familie leben, die Schulen und die dortigen Schüler kennenlernen, mit und von diesen lernen. Bukoba oder auch die Region Kagera ist eigentlich keine Region, in der die Art von Tourismus betrieben wird, die wir als normal empfinden. Man lernt hier durch die Learning Safaris die Kultur, die Art des Lebens und die Menschen hautnah kennen. Das ist etwas ganz anderes als „normaler“ Tourismus.

Was sind deiner Meinung nach Dinge, an denen hier noch stärker gearbeitet werden muss? Was sind die dringendsten Baustellen?

Man muss verstehen, dass es hier Schulen gibt, an denen mehr als 100 Schüler in einem Klassenzimmer sitzen. Dann gibt es Schulen, wo es gar kein Wasser gibt, weder zum Händewaschen noch einfach so. Es gibt Schulen, an denen 200 bis 400 Kinder eine Toilette benutzen müssen. Und wenn wir von Bildung und Gesundheit sprechen, daran muss noch viel mehr und effektiver gearbeitet werden. Wir versuchen, jetzt mehr mit der Regierung zusammenzuarbeiten, damit diese auch selber etwas tut, um die Situation an den Schulen für die Schüler zu verbessern. Wir versuchen, auch den Lehrern diese Spiele wirklich beizubringen und diese dazu anzuhalten, sie mit den Kindern auch zu spielen. Denn es geht nicht nur um die Bauprojekte und die Workshops, die Lehrer müssen verstehen und es auch selber wahrnehmen, dass die aktuelle Situation an den Schulen nicht gut ist. Die Kinder müssen diese Life Skills erlernen und dann auch wirklich leben und anwenden können.

Was könnte man als Leser tun, wenn man Jambo Bukoba unterstützen möchte?

Da gibt es mehrere Dinge. Man kann eben beispielsweise Bukoba und unser dortiges Team in Tansania besuchen und sehen, was wir machen. Eben im Rahmen einer Learning Safari. Außerdem kann man auch in Deutschland bei Jambo Bukoba freiwillig arbeiten. Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die Eigenschaften besitzen, die uns bei Jambo Bukoba sehr helfen können. Hier in Bukoba sind wir ein Team aus acht Mitarbeitern und jedes Jahr haben wir mehr als acht Projekte an den Schulen, die umgesetzt werden müssen. Natürlich kann man uns auch durch Geldspenden unterstützen. Denn ohne das nötige Geld können wir keines der Projekte oder Workshops umsetzen.

Damit man sich das vielleicht besser vorstellen kann: Was kann man auch schon mit kleinen Spenden erreichen?

Eine Schulbank, an der zwei bis maximal vier Schüler zusammen sitzen, kostet 50 000-70 000 Tansanianische Schilling. Umgerechnet sind 50 000 tansanianische Schilling fast 20 Euro. Schulbänke werden immer wieder dringend benötigt, da nicht genügend vorhanden sind, und die Kinder müssen sich welche teilen oder sogar auf dem Boden sitzen. Man muss verstehen, dass man nicht reich sein muss um uns zu unterstützen, auch wenn es ein oder zehn Euro sind, hilft das den Kindern hier in Tansania, die die Unterstützung brauchen.


Weitere Infos

Falls ihr Interesse an einer Learning Safari habt oder euch nur einfach mal die Arbeit der Organisation anschauen wollt, schaut gerne mal auf ihrer Website vorbei:

https://www.jambobukoba.com

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