Yoga

Wenn du atmest, machst du es richtig – ein Jahr Yoga

/
6 mins read
Start

Ich habe ein Jahr lang jeden Tag Yoga gemacht oder meditiert. In den Dolomiten, auf Hotelbetten, am Flughafen. Täglich einmal habe ich mein Handy stummgeschalten, die Matte ausgerollt, meine Socken ausgezogen und für mindestens zehn Minuten nur für mich selbst etwas gemacht. Auch wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass Yoga positive Effekte auf Körper und Gehirn haben kann. 

Vor ein paar Jahren hatte ich meine ersten Yoga-Versuche. Immer wieder mal ein bisschen, eine Routine etablierte sich dabei aber nie. Dann besuchte ich zwei Semester lang einmal pro Woche einen Yogakurs, verfolgte aber zwischen den Stunden nur hin und wieder ein Yoga-Video. Irgendwann bin ich auf den Youtubekanal Yoga with Adriene gestoßen. Immer im Januar veranstaltet dieser Kanal eine 30 Tage Challenge. 2021 war mein Neujahrsvorsatz, diese durchzuziehen. Nach dreißig Tagen Yoga habe ich weitergemacht, jeden Morgen nach dem Aufstehen erstmal ein Yoga-Video, es waren ja eh Semesterferien, da hat man ein bisschen mehr Zeit. Dann fing die Uni wieder an, es wurde stressiger, und manchmal war die einzige bewusste Freizeit, die ich mir gönnte, die paar Minuten Yoga am Morgen. Irgendwann wurde es zur Gewohnheit, manchmal kam ich erst am Abend dazu, manchmal hatte ich gar keine Lust und meditierte für ein paar Minuten vor dem Schlafengehen. Aber ich habe es durchgezogen, das erste Mal, dass ich etwas für 365 Tage am Stück gemacht habe. 

Und was hat’s gebracht?

Ich bin auf jeden Fall etwas dehnbarer geworden und zerre mir nicht gleich etwas, wenn ich mal eine ungelenke Bewegung mache. Meine Schultern und mein Rücken bedanken sich auch sehr, wenn sie nach einem Tag am Schreibtisch etwas gedehnt und gelockert werden. Die größte bemerkbare Auswirkung ist aber mein bewussteres und tieferes Atmen.
Dass Atmen nicht nur Luftholen ist, merkt man bei Meditationen sehr schnell. Es gibt verschiedene Atemtechniken, manche mit kurzem Luftanhalten, eine andere, bei der immer eine Seite der Nase zugehalten wird, aber im Grunde geht es immer darum, bewusst zu atmen und das Ausatmen so lang wie möglich werden zu lassen.

Atmen fürs Gehirn

Die Atmung beeinflusst die biochemischen Prozesse, die im Gehirn ablaufen. Genauer gesagt, können Atemtechniken Auswirkungen auf die Konzentration bestimmter Botenstoffe (auch Neurotransmitter genannt) haben. Eine Studie zeigt, dass durch Atemübungen, wie sie zum Beispiel beim Yoga oder einer Meditation durchgeführt werden, die Konzentration des Neurotransmitters GABA (Gamma-Aminobuttersäure) gesteigert werden kann. GABA wirkt hemmend, ist also sozusagen ein Türsteher an den Synapsen und lässt Stresshormone nicht so leicht durchkommen, sodass das Gehirn sich entspannt.

Bei Stress oder Angst kommt es zu schnellerer Atmung, das macht aus evolutionärer Sicht Sinn, denn der Körper will sich auf Kampf oder Flucht vorbereiten. In manchen Situationen ist das allerdings äußerst unpraktisch, denn wenn ich in einer Prüfung sitze, sollte ich weder fliehen noch kämpfen, sondern denken können. Das geht besser, wenn viel Sauerstoff ins Gehirn kommt, und dazu muss man tief atmen. Außerdem wird dem Gehirn durch eine bewusst ruhige Atmung signalisiert, dass es sich entspannen kann.

Yoga als Lebensstil

Yoga ist traditionell eigentlich nicht nur eine Kombination aus Bewegungen und Atemtechniken sondern eine ganzheitliche Lehre, die den gesamten Lebensstil beeinflusst.
Obwohl Yogaübungen meist nicht intensiv genug sind, um das Herz-Kreislauf-System anzuregen, kann sich Yoga dennoch positiv auf Risikofaktoren von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirken, beispielsweise eben durch die Reduzierung von Stress oder achtsamere Ernährung. 

Ist Yoga das Allheilmittel?

Es ist keine Weltneuheit, dass Bewegung gesund ist. Hat man die richtige Art für sich gefunden und hat Spaß daran, wirkt sich sportliche Betätigung positiv auf verschiedene Bereiche des Gehirns aus. Studien zeigen, dass die Laune gesteigert und das Stresslevel gesenkt wird, außerdem gibt es Hinweise darauf, dass sich durch regelmäßige Bewegung das Langzeitgedächtnis und die Lernfähigkeit verbessern.
Abgesehen davon ist es gut für die Psyche, mal nicht erreichbar zu sein und sich die Zeit zu nehmen, nur etwas für sich zu tun. 

Für mich ist Yoga so fantastisch, weil ich mich dabei kaum mit anderen vergleichen kann. Es gibt keine Wettbewerbe, nur das Video – dem ich meist nur zuhöre – und mich. Auch in einem Yogakurs achte ich kaum darauf, was die anderen machen. Ich habe gelernt, geduldiger mit mir zu sein. Ich bin nicht jeden Tag topfit, was ich gestern konnte, geht heute vielleicht nicht so gut. Es gibt kein Richtig und Falsch, kein Gut und Schlecht, solange es mir gut tut und ich atme, ist alles okay.


Titelbild: (c) Anton Hammel

Studium der Astrophysik. Psychotherapeut*in to be.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Previous Story

Das James-Webb-Weltraumteleskop - ein Generationenprojekt

Schlafende Katze und Buch
Next Story

9 Bücher für alle, die eigentlich keine Energie mehr zum Lesen haben