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,,Wir können nicht jodeln“ | Interview mit folkshilfe

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Das österreichische Quetschn-Synth-Trio folkshilfe veröffentlicht heute ihr drittes Album Sing. Gestern gab es zur Feier des Albums eine exklusive Live-Show in ,,kleinem Rahmen“, direkt in der Wiener U-Bahnstation Stephansplatz. Nach der exzellenten (wenn auch etwas kurzen) Show wechseln wir ein paar Worte mit den drei folkshelfern.

Beteiligt an dem Gespräch sind Paul (Gitarre), Florian (Quetschn) und Gabriel (Drums).
 
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(c) Gabriel Niederberger
 
Ihr habt auch als Straßenmusikanten angefangen – warum habt ihr euch jetzt dazu entschieden, bei dieser kleinen Album-Vorprämiere wieder eine Straßenmusik-Session zu geben?
 
Florian: Ich glaube Straßenmusik ist etwas, was wir alle drei sehr gerne machen, am liebsten nicht in Österreich, sondern eigentlich irgendwo in Europa, da, wo man es nicht erwarten würde, da, wo vielleicht eine Sprachbarriere ist. Ich finde es spannend, Dialekt zu singen, in Strassburg, in Frankreich, und zu merken, dass das eigentlich nicht so die Hürde wie man glauben würde. Dank der Wiener Linien war es jetzt schön, mal offiziell in einer U-Bahnstation zu spielen. Normalerweise ist’s so: wir spielen kurz heimlich am Stephansplatz und müssen dann Strafe zahlen. In Wien ist’s ja gar nicht so einfach Musik zu machen auf der Straße. Dann kam die Idee, „ihr könnt ja einfach in der U-Bahnstation am Stephansplatz spielen“, und da haben wir uns gedacht: Fix, moch ma des!
 
Das war jetzt eine Acoustic Session.
 
Florian: Megaphon-Acoustic Session!
Gabriel: Megaphon unplugged!
Paul: Megafolk!
(alle lachen)
 
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(c) Gabriel Niederberger
 
Ist euch das lieber, oder auf einer Bühne mit vollem Equipment?
 
Paul: Kann man schwer sagen, hat beides was. Da muss man vermutlich sogar eine dreiteilige Unterscheidung treffen. Große Bühne, vor tausenden Leuten spielen, ist ein Erlebnis, es ist aber auch super in einem kleinen Club zu spielen, wo man Face to Face mit den Leuten ist, halber Meter Abstand, du spürst den Schweiß, der dir entgegenschießt, aber du kannst Gott sei Dank auch deinen Schweiß entgegenschießen.
Sowas macht natürlich auch extrem Spaß, direkt auf der Straße, unplugged. Du schreist dir da in Wahrheit die Seele aus dem Leib, stehst zu dritt zusammen, erzeugst eine Energie, die du nach vorne schießt. Und die Leute geben dir das wieder zurück, genau darum geht es, die Synergie zwischen Band und Publikum. Egal, ob das jetzt auf der Straße ist, in kleinen Clubs, auf großen Bühnen, auf Lastwägen, auf Anhängern, vom Auto raus, es ist egal.
 
Gabriel: Es ist da auch so eine Solidarität vorhanden. Man merkt, wir können keine 200 Leute überschreien, das geht nicht. In einem Club kann man das mal mit einer fetten Anlage übertauchen, auf der Straße weiß aber jeder, hey wir müssen jetzt mitmachen, sonst haben die drei keine Chance.
 
Paul: Schöne Energie auf jeden Fall.
 
Ihr singt ja im Dialekt und verwendet als „traditionelles“ Instrument die Quetschn. Was genau ist der Reiz davon?
 
Florian: Das ist einfach passiert. Wir haben alle in unterschiedlichen Bands gespielt, und haben zufällig auf der Straße in dieser Besetzung Musik gemacht, und dann war’s im Dialekt, auch irgendwie zufällig, die ersten Songs. Das ist dann so weiter entstanden, hat sich so entwickelt. Irgendwie finden wir nach wie vor die Ästhetik des Dialekts extrem spannend. In Österreich hast du halt entweder die Möglichkeit, Dialekt zu machen und damit heimatverbunden zu sein, oder du bist irgendwie international denkend, Freigeist, Europäer. Ich glaube, das ist die Chance der folkshilfe: Eine klare Haltung zu haben, den Spirit von der Straße, gleichzeitig das Quetschnsymbol neu zu definieren. Schaut’s her, da hat’s vielleicht mal in den 90ern mit Attwenger eine Bewegung gegeben, die spannend war, aber es hat sich irgendwie nichts weiter getan.
 
folkshilfe
(c) Gabriel Niederberger
 
Wo du Attwenger ansprichst: Seht ihr euch in Tradition mit dieser alternativen Quetschn-Verwendung?
 
Florian: Wir sind sicher mehr im Pop angesiedelt. Ich denke der größte Unterschied zu Attwenger, Hubert von Goisern oder Ausseer Hardbradler ist, dass wir nicht wirklich vom Land sind, und das wir keine Volksmusikanten sind. Wir kommen nicht von der Volksmusik. Ich hab Jazz-Gitarre studiert, komme eher aus Hip Hop, Funk, Singer/Songwriter. Wir haben nur mit dieser Ästhetik schon immer was anfangen können, und ich hab tatsächlich im Elternhaus eine Quetschn rumliegen gehabt, und ich kann nur folkshilfe Songs spielen. Für mich ist Quetschn eine Mischung aus Gitarre spielen und Synth spielen, aber ich kann kein einziges Volkslied. Der größte Unterschied ist, dass wir nicht versuchen, aus irgendeiner Welt auszubrechen, sondern dass wir versuchen die Ästhetik, die wir geil finden, Hip Hop, Pop, Funk, dreistimmiger Gesang, zu vereinigen. Das ist ein Folk Music-Gedanke, der uns reizt. Wir können nicht jodeln, wir können nicht mal einen echten, traditionellen Jodler singen, aber jeder/jede Österreicher/in kann mit Jodeln etwas anfangen, weil man es kennt. Die Ästhetik versuchen wir in der Band zu integrieren, und im besten Fall einen Jodler so klingen zu lassen, wie das vielleicht bei einem Kanye West klingen könnte – überspitzt formuliert.
Kurzversion: Wir haben gemerkt, was da für ein Potential vorhanden ist und haben begonnen, an diesem Plan zu arbeiten. Momentan merkt man, dass der aufgeht. Die neue Platte ist auch extrem divers, genremäßig.
 
folkshilfe
(c) Gabriel Niederberger
 
Was wollt ihr zur neuen Platte sagen, die heute rauskommt?
 
Florian: Heute kommt das neue Album raus, es ist das beste Album, das wir jemals gemacht haben. Wir haben jetzt zwei Jahre daran gearbeitet. Das Schöne an der Musik ist: Wir wissen eigentlich nicht, ob es das Beste ist, ob’s am besten ankommt. Wir haben aber alles in den zwei Jahren dafür gegeben, haben in Italien in den Bergen, in Thailand, wo auch immer, aufgenommen. Es ist extrem viel von allen Stops dieser Reise der folkshilfe drinnen, live, weil das ja mittlerweile möglich ist, mit einem mobilen Micro oder einem Handy was aufzunehmen und das auf die Platte zu packen. Ich glaube es gibt drei Säulen auf dem Album: Wo kommen wir her, wo sind wir gerade und wie kann’s in Zukunft sein.
 
Die letzten Worte gehören euch!
 
Florian: Danke Mama.
Paul: Ich sag danke.
Gabriel: ICH sag danke!
(alle lachen)

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