Eine Gestalt mit dunkler Kapuze und Gasmaske: Artwork von "999".

OldMacMario’s Farm #7: Locked Room Mystery

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Im weiter andauernden Corona-Shutdown bleiben wir überwiegend „Gefangene“ in den eigenen vier Wänden – die perfekte Gaming-Empfehlung zur Ablenkung? Spiele, deren Hauptfiguren ebenfalls eingesperrt sind!

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Keine Sorge, ich will euch nicht noch mehr deprimieren – die folgenden drei Titel sind aus ebenso vielen Gründen tatsächlich willkommener Eskapismus in diesen Tagen: Erstens bieten sie interessantere und abenteuerlichere Bedrohungsszenarien als den realen Killervirus, der selbst für zombiefizierende Nebenwirkungen zu langweilig ist. Zweitens können die Heldinnen und Helden hier aktiv gegen die Gefahr vorgehen, im Zuge dessen viele coole Mysterien lösen und schließlich (hoffentlich) aus ihrem Gefängnis flüchten, anstatt wie wir nur auf Eindämmung und Impfstoff warten zu können. Und drittens sind es schlicht verdammt gute Spiele!

Anmerkung: Die Plattform-Angaben in den Überschriften beziehen sich auf die Erstveröffentlichungen; Infos zu Ports und Download-Versionen findet ihr in der Box ganz am Ende des Artikels. Titelbild: Aksys Games.

Prinzessin Peach unter Hausarrest: Paper Mario (Nintendo 64, Nintendo / Intelligent Systems)

Mario und ein fliegender Post-Koopa erkunden Toad Town: Screenshot aus "Paper Mario".
[Screenshot: Nintendo]

Es gibt viele gute Gründe, Paper Mario zu zocken: Das grandiose rundenbasierte RPG-Kampfsystem mit vielen motivierenden Geschicklichkeitseinlagen, die spannend-selbstironischen Handlungsstränge und der bezaubernde Grafikstil mit papierdünnen Figuren vor 3D-Kulissen etwa. Für dieses Special besonders relevant sind dagegen die zwischen den Hauptspiel-Kapiteln eingestreuten Peach-Intermezzi, welche das Klischee der entführten Prinzessin wunderbar relativieren!

Mario und eine ihm freundlich gesinnte Koopa-Schildkröte kämpfen gegen Bowsers Armee: Screenshot aus "Paper Mario".
Mit Bodenattacken erwischt ihr nur Gegner in der ersten Reihe, ein Sprungangriff auf Pickelhauben tragende Gumbas ist dagegen möglich, aber nicht ratsam: Die Kämpfe sind etwas leicht, aber voller hübscher Facetten! [Screenshot: Nintendo]

Denn die diesmal mitsamt Dienerschaft und Palast (ja, wirklich) von Koopa-König Bowser ins All entführte Hoheit sitzt keineswegs untätig in ihrem zur Zelle umfunktionierten Privatgemach: Durch Geheimgänge schleichend und patroullierende Koopa-Wachen austricksend stellt sie vielmehr ihre eigenen Ermittlungen an, um herauszufinden, wo der Schurke die in irdischen Gefilden eingesperrten „Hohen Sterne“ versteckt hält (die gemeinsam seine Macht brechen könnten) und Mario diese Infos mit Hilfe eines Sternenkinds zu übermitteln! Klempner und Prinzessin sind also stets gegenseitig aufeinander angewiesen – schön nuanciert wie auch die heterogene Zeichnung von Bowsers Schergen: Wenn sich manche von ihnen gegenseitig mit Gruselgeschichten erschrecken oder heimlich mit einem Quizspiel die Zeit vertreiben, an dem sogar die aus ihrem Zimmer ausgebüchste Peach teilnehmen darf, wenn sie niemandem davon erzählt, wirken sie wie mehr als bloße Monster!

Ermittler-Asse von der Außenwelt abgeschnitten: Professor Layton vs. Phoenix Wright – Ace Attorney (3DS, Nintendo / Level-5 / Capcom)

Layton und Maya blicken staunend off-screen: Videosequenzen-Schnappschuss aus "Professor Layton vs. Phoenix Wright".
[Screenshot: Nintendo]

Sowohl Archäologieprofessor Hershel Layton als auch Rechtsanwalt Phoenix Wright sind vorrangig auf dem (3)DS heimisch und Stars einer eigenen Adventure-Serie mit einem jeweils ganz besonderen Dreh: Bei ersterem sind die Point&Click-Mechaniken eigentlich nur (charmante) Fassaden, um Krimi-Storys mit Dutzenden Puzzles zu verbinden, die auf Werken des (leider 2016 verstorbenen) Psychologen und Rätselbuchautors Akira Tago beruhen; bei letzterem untersucht ihr mit Stylus und Touchscreen Tatorte und befragt Verdächtige, bevor ihr eure Erkenntnisse vor Gericht einsetzt, um Falschaussagen im Zeugenstand zu zerpflücken und die übereifrige Staatsanwaltschaft im Zaum zu halten. Das schließlich entstandene Crossover beider Serien kombiniert diese beiden Spielprinzipe aber nicht nur hervorragend, sondern ist auch für dieses Special hochinteressant…

Ein Richter spricht mit Phoenix darüber, was seiner Mandantin zu Last gelegt wird: Screenshot aus "Professor Layton vs. Phoenix Wright".
Die einleitende Tutorial-Verhandlung spielt noch in einem „normalen“ Gerichtsgebäude – später wird es deutlich ungemütlicher! Deutsche Übersetzung und Vertonung sind übrigens solide, die (ebenfalls anwählbare) englische aber hervorragend. [Screenshot: Nintendo]

Denn kurz nachdem Phoenix (und seine Assistentin, das megasympathische spirituelle Medium Maya) in London ankommt, um einen Routinefall als Austausch-Jurist zu verhandeln, und Layton (mit dem kleinen Besserwisser Luke, seinem selbsternannten Lehrling) seltsame Vorkommnisse auf der Tower Bridge untersucht, wachen sie mit Erinnerungslücken in der mittelalterlich anmutenden Stadt Labyrinthia auf: Schlimm genug, dass die Titelhelden (samt Sidekicks) an diesem Ort gefangen zu sein scheinen (wie so viele bis unlängst in diversen Tiroler Gemeinden) – hier werden auch noch Hexenprozesse wie anno dazumal geführt (wie in hoffentlich nicht mehr allzu vielen Tiroler Gemeinden)! Klar, dass Professor und Anwalt den armen Angeklagten zur Seite stehen und gleichzeitig versuchen, den Geheimnissen der Stadt auf den Grund zu gehen – und es wird trotz viel comichafter Situationskomik hochspannend und auch schon mal ziemlich düster…

„Escape Room“-Marathon wider Willen: 999 – Nine Hours, Nine Persons, Nine Doors (DS, Aksys Games / Spike Chunsoft)

Junpei spricht an Bord eines Schiffes mit einem altmodisch gekleideten jungen Mann und einem modern gekleideten jungen Mädchen: Screenshot aus "999".
[Screenshot: Aksys Games]

Von den sozialkritischen Hunger Games bis zum blutrünstigen Saw gibt es genug Geschichten über die zwangsweise Teilnahme an tödlichen „Spielen“: Originell ist die Prämisse von 999 also nicht unbedingt, wenn Student Junpei und acht weitere Mitmenschen nach einer Begegnung mit dem Gasmasken-Gesellen aus dem Titelbild ganz oben auf einem sinkenden Schiff erwachen und sich durch vorbereitete Rätselräume knobeln müssen, während ein ominöser „Spielleiter“ verrückte Regeln vorgibt. Aber was hier mit der Zeit nicht nur aus Geschichte, sondern insbesondere auch aus Personenzeichnung gemacht wird, ist wahrlich bemerkenswert! Von Junpeis (und eurem) noch oberflächlichen ersten Eindruck an erhalten alle Nichtspielercharaktere nach und nach mehr Profil und wachsen euch geradezu ans Herz, was die vielen dramatischen (nicht immer schönen) Storyentwicklungen der multiplen Routen und Endings noch effektiver werden lässt. Und neben den ausladenden Visual Novel-Segmenten sind auch die kniffligen Puzzle-Räume nicht nur gut in die Geschichte eingearbeitet, sondern auch gameplaytechnisch richtig gelungen!

Eine Ansicht einer sich langsam mit Wasser füllenden Schiffskabine: Screenshot aus "999".
Das Sinken des Schiffs wird storymäßig spannend inszeniert, aber während der Rätsel-Passagen müsst ihr euch dennoch keine Gedanken über ein faktisches Zeitlimit machen: Für die Puzzles habt ihr angenehmerweise alle Zeit der Welt! [Screenshot: Aksys Games]

Ihr seid eingesperrt (Selbstisolation), dürft die Rätselräume nur in Kleinstgruppen erkunden (Zurückfahren sozialer Kontakte) und riskiert euer Leben, wenn ihr die vorgegebenen Regeln missachtet: Ganz wie im wirklichen Leben! Ja, okay, anders als der 999-Spielleiter kann euch COVID-19 bei Regelverstößen nicht womöglich in die Luft jagen: Ich hab’s ja gesagt, dieser Killervirus ist selbst für zombiefizierende Nebenwirkungen zu langweilig!

Würfelförmige pixelige Katze

Vielen Dank fürs Lesen und hoffentlich bis zum nächsten Mal sagen Kolumnen-Katz und Old!


Weitere Informationen

999 erschien ursprünglich als DS-Modul (nicht in Europa, aber amerikanische Importe laufen auch auf hiesigen DS- und 3DS-Modellen) und nutzt dessen Doppel- und Touchscreen-Features gut aus: Wer an jenes herankommt, erhält die volle Original-Erfahrung! Leichter zu finden (und auch hierzulande erschienen) sind The Nonary Games, erschienen für PC (Steam-Download), PlayStation 4 und PS Vita (jeweils auf Datenträger und als Download), welche „remastered“ Versionen von 999 und seinem Nachfolger Virtue’s Last Reward enthalten. Nicht empfehlenswert: Die iOS-Version, welche auf eine reine Visual Novel zusammengekürzt wurde und ohne all die gelungenen Gameplay-Puzzles nur die Hälfte wert ist. Die anderen beiden vorgestellten Spiele erschienen von Anfang an auch hierzulande: Layton vs. Wright gibt es nur für 3DS (ebenfalls Retail + Download), und wer kein N64 besitzt oder Paper Mario-Module aus zweiter Hand zu teuer findet, kann über einen Wii U-Download (für gerade mal 9,99€ im eShop) nachdenken, der wahlweise auch ohne TV auf dem GamePad-Screen spielbar ist.

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Herausgeber des "Generation N"-Printmagazins und generation-n.at-Videoredakteur, Germanist, Informatiker, Videospielfreak seit Kindergartentagen, auch Kino, Comics und dem Basteln von seltsamen Kurzfilmen nicht abgeneigt sowie stolzer Absolvent eines Wochenend-Intensivkurses der Clownerie.

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