Auf der Suche nach der Kunst des Großvaters

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„Mit jedem Bild lerne ich meinen Opa eigentlich erst kennen“, erzählt mir Vincent Krenn, Enkel des Wiener Malers Hans Krenn. Eigentlich hatte Vincent nie richtig die Möglichkeit, seinen Großvater gut kennen zu lernen, aber seine Gemälde kennt er dafür umso mehr. Rund 80 der 350 Ölgemälde sind im Besitz der Familie Krenn, viele davon hängen in dem Zimmer von Vincent. Doch es sollen noch mehr werden, denn Vincent hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Kunstwerke seines Opas zurückzuholen.

Hans Krenn ist 1932 in Innsbruck geboren. Nach seiner Matura zog es ihn nach Wien, um dort Architektur an der Akademie der bildenden Künste zu studieren. Doch Architektur war nicht wirklich das Arbeitsfeld, das Hans Krenn nach seinem Abschluss anpeilte. Es war die Malerei, die den frisch gebackenen Jungakademiker inspirierte. „Er hat sich nach seinem Studium hauptsächlich auf die Kunst fokussiert. Meine Oma hat ihm damals Ölfarben gekauft und gesagt: So, jetzt fang mal an. Das war eigentlich sein Start“, schildert Vincent. Spezialisiert hat sich Hans Krenn dabei auf Ölgemälde. Dabei wird Schicht für Schicht mit lasierenden Farben aufgetragen und die Bilder bekommen dadurch eine gewisse Tiefe. Inspiration dafür lieferten hauptsächlich die Werke von Salvador Dali. „Mein Opa hat die Ölmalerei sehr viel studiert und sich damit das Handwerk autodidaktisch beigebracht.“

Hans Krenn vor einem seiner Gemälde

Was die Bilder so einzigartig macht

Eingereiht wird die Kunst des Hans Krenn in die Wiener Schule des phantastischen Realismus. Diese künstlerische Form sticht durch Motive von phantastisch-unwirklichen Kreationen heraus. Genau das ist auch ein Punkt, der Vincent bei den Werken seines Großvaters besonders gefällt: „Er hat sich sehr stark auf Figuren begrenzt, die eigentlich immer im Mittelpunkt stehen. Nicht irgendwelche Figuren, wie wir sie kennen, wie zum Beispiel Tiere, sondern meistens komplett abstrakte Wesen.“ Diese Wesen stechen durch die Farbintensität der Werke besonders hervor. Doch es ist nicht nur das Strahlen der Farben, das auf den ersten Blick erkennbar ist, sondern es sind auch die Proportionen dieser Wesen. Überproportionale Hände und Füße beanspruchen den Raum auf den Bildern, und ein Detail findet Vincent dabei besonders interessant: Die Finger- sowie Fußnägel der Wesen sind mit Nagellack verziert. „Mein Opa hat immer seine zwei kleinen Finger lackiert getragen und er hat eigentlich auf all seinen Wesen Nagellack drauf. Also ich kenne keinen Künstler, der sich so krass auf Nagellack fixiert hat.“

Wenn der Erfolg ausbleibt

Leider hat die Ästhetik der Werke von Hans Krenn damals nicht die Anerkennung erfahren, die sie eigentlich verdient hätte. Bei Gemälden ist es oft so, dass ein Wert erst im Nachhinein erzielt wird. Dabei bekommen die Künstler*innen zu Lebzeiten nicht mehr die Erlöse aus ihren Kunstwerken ausbezahlt. Dies führt wiederum zu einem Druck, der es schwer werden lässt, einerseits die Kreativität weiterhin zu entfalten und andererseits genug Geld zu haben, um sich den Lebensunterhalt leisten zu können. Dazu kommt noch der Konkurrenzdruck durch andere Kunstschaffende, und diese Faktoren führen dazu, dass dieser Beruf psychisch zusetzen kann.

Vincent Krenn vor dem Gemälde „Trommelkinder“

Eine Entwicklung, die Vincent auch bei seinem Opa festgestellt hat: „Wenn jemand davon lebt, seine Kunst zu verkaufen, dann wirst du ja automatisch jeden Tag beurteilt. Jeder hat dann meistens innerhalb von zehn Sekunden eine Meinung zu einem Kunstwerk. So eine direkte Rückmeldung haben ja die wenigsten Berufe. Ich glaube, gepaart mit dem Risiko als Selbstständiger ist das natürlich eine krasse Situation. Da ist eine ganze Menge an Frust und gescheiterter Existenz. Mein Opa war ganz sicher, sagen wir mal, so ein Paradiesvogel, der nicht so richtig reingepasst hat, und ich glaube, dass er in den frühen Phasen das noch viel positiver in seinen Bildern verarbeiten konnte und je älter er wurde, wenn der Erfolg ausbleibt und du eher abgewertet wirst, ist das natürlich schwierig.“

Ein Vermächtnis, dem Vincent auf die Spur geht

Gerade durch die Alleinstellungsmerkmale der Gemälde des Hans Krenn ist Vincent Krenn so begeistert von den Kunstwerken. Deshalb hat es sich der Psychologiestudent zur Hauptaufgabe gemacht, die Gemälde seines Großvaters zurück in den Familienbesitz zu holen: „Für mich ist es ein impliziter Auftrag. In einer gewissen Weise macht es ja auch unglaublich Sinn. Für mich macht es extrem viel Sinn, etwas zu suchen, was mein Opa angefertigt hat. Ich glaube, das Spannende ist, das Lebenswerk vom Künstler lebt in der Kunst weiter. Das ist es ja auch hier. Das ist Familienkultur.“

Ich kenne meinen Opa nicht wirklich und hatte nicht das Glück, ihn kennenzulernen. Ich kenne ihn eigentlich nur von der Phase, wo er eigentlich sehr abgedriftet ist und immer sehr eigen war. Es macht mehr Sinn, wenn man im Nachhinein Bilder entdeckt und dadurch denkt: Hey, wie positiv war dieser Mensch eigentlich in den 60er-Jahren. Das ändert einfach die Perspektive auf einen Menschen. Um Wert geht es bei der Kunst meines Opas gar nicht.

Für die Suche recherchiert Vincent viel, kontaktiert Auktionshäuser, ist in den Verteilern von Kunstwebseiten eingetragen und surft täglich auf etlichen Gebrauchtwarenplattformen herum. Wenn dabei etwas Neues auftaucht, bemerkt er es sofort, weil er bereits alle bisherigen Gemälde seines Opas im Kopf hat. Er versucht jedem kleinen Hinweis zu folgen, auch wenn es nur ein Name ist. Dabei ist ihm schon die ein oder andere absurde Geschichte untergekommen: „Als Karl Laszlo gestorben ist, habe ich die Galerie angeschrieben und gefragt, ob sie Bilder von Hans Krenn im Depot haben. Ich wusste, dass der Laszlo damals welche gekauft hatte. Kurz darauf habe ich von denen eine Email mit 12 Anhängen bekommen. Zuerst dachte ich: Das sind sicher irgendwelche Kopien. Aber dann war es ein neues Ölbild nach dem anderen. Da saß ich in Floridsdorf im Studentenwohnheim und das war einer der intensivsten Momente. Es ist meiner Meinung nach einer der schönsten Tage in Wien gewesen, ich konnte es nicht fassen.“

Vincent vermutet, dass die restlichen der rund 350 Ölgemälde hauptsächlich in Europa verstreut sind. Wahrscheinlich sind viele in Ungarn, Österreich und der Schweiz. Ein paar wenige werden noch in Deutschland und der USA sein.

Sollte jemand Informationen zu den übrigen Ölgemälden von Hans Krenn haben, kann Vincent Krenn unter vincentkrenn@googlemail.com kontaktiert werden.

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