Hausprojekt Willy*Fred

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Da sich in unserer Gesellschaft die Wohnungskauf- und Mietpreise seit Jahrzehnten überschlagen, haben sich diesbezüglich über die Jahre der Reihe nach einige Alternativen etabliert, von Hausbesetzungen über Genossenschaftswohnungen. Der Traum vom Eigenheim gehört der Vergangenheit an. In der 2019 erschienenen Dokumentation Der Stoff aus dem die Träume sind wurden verschiedene Wohnbauprojekte in Österreich vorgestellt, welche seit den Siebzigerjahren umgesetzt wurden. Das jüngste Projekt unter ihnen ist das Willy*Fred.

Titelfoto © Willy*Fred

Direkt am Linzer Graben, Hausnummer 3, neben einem Bankgebäude und gegenüber einem Teppichladen, befindet sich das gelb angestrichene, vierstöckige Wohnhaus. In die Schaufenster des Erdgeschosses blickend, findet man ein Gassenlokal, in dem täglich Deutschkurse, unter anderem für Flüchtlinge, stattfinden. Freitags dient die Auslage dem Kostnix*Laden.
Das Wohnhaus, auf das man hier blickt, trägt den Namen Willy*Fred und ist seit gut fünf Jahren offiziell Nutzungseigentum seiner Bewohner*innen. Aber nochmal von Anfang.

 

@Willy*Fred

Wer oder was ist Willy*Fred?

Willy*Fred ist eine eingetragene GmbH, gegründet von einer Gruppe junger Linzer*innen, als der Dachverband habiTAT, welche sich 2015 den Traum verwirklicht haben, ein Wohnhaus zu kaufen und dieses abseits von steigenden Mieten und ohne, dass sich jemand daran bereichern kann, selbstverwaltet zu führen. Sie sagten Immobilienhaien und Immobilienspekulant*innen den Kampf an und ermöglichen ein alternatives Wohnkonzept.
Finanziert wurde das über 3-Millionen-Euro-Projekt über Crowdfunding, durch einen Bankkredit und über private Direktkreditgeber*innen, die hier in ein nachhaltiges Projekt investieren können. Die Preisspanne beträgt 500 – 50.000 € und ermöglicht Investor*innen einen Kreditsatz von bis zu zwei Prozent. Ziel ist es, möglichst viele Kreditgeber*innen zu finden, um somit das Risiko der Insolvenz zu minimieren.

Seit gut fünf Jahren ist das Wohnhaus, mit 1.600 qm Wohn- und Arbeitsflächen, nun ein Zuhause für rund 25 Menschen im Alter von 18 bis 45 Jahren. Bei einem Mietpreis von 6.35 €/qm findet sich hier neben 2er bis 6er – Wohngemeinschaften aus Student*innen, Arbeiter*innen und Familien, immer noch eine Wohnung von Altmieter*innen, ein Zwischenzimmer für Personen, ein Gästezimmer und Gemeinschaftsbüros. Ebenso sind im Haus neben dem kollektiv (Bildungs- und Kulturarbeit von und für Migrant*innen) auch die Vereine FIFTITU% (Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur) und VIMÖ (Verein für intersexuelle Menschen Österreich) beheimatet, sowie eine Einkaufsgemeinschaft eingemietet.

„Solidarität statt Ellenbogengesellschaft!“ – Willy*Fred

Der Hauskauf war nur der erste kleine Schritt. Teil von Willy*Fred zu sein, heißt Teil einer Gemeinschaft zu sein. Das Wohnhaus ist keine Zweck-WG und die Hausgemeinschaft legt viel Wert auf miteinander statt nebeneinander leben. Neben dem gemeinschaftlichen Leben, das sich häufig im Innenhof abspielt, wird deshalb alle zwei Wochen ein Plenum abgehalten, in welchem sich die Hausbewohner*innen aktiv am Zusammenleben beteiligen können. Hier wird auch entschieden, was mit den monatlichen Mieten geschehen soll. Zwar geht ein großer Teil davon in die Kapital- und Hauserhaltungskosten sowie in langfristige Umbauarbeiten, wie einen barrierefreien Zugang, aber durch das aktive Miteinander konnten auch schon andere gemeinschaftliche Projekte realisiert werden. Im Keller des Wohnhauses findet sich deshalb bereits eine Werkstatt für anfallende Reparaturen und künstlerische Freizeitprojekte, ein Probe- und Freizeitraum, sowie die jüngste Errungenschaft, eine Sauna. Zusätzlich verfügt das gesamte Wohnhaus über ein gemeinschaftlich nutzbares Auto und ein Lastenrad.

Einmal im Jahr findet ebenfalls eine Klausur, also eine Vollversammlung für alle Bewohner*innen, statt, wo vor allem an der Gruppendynamik gearbeitet wird, um ein kollektives Hausleben zu ermöglichen.
Für die Zukunft geplant ist übrigens eine ausgebaute Dachterrasse, sowie eine begrünte Fassade.

©Willy*Fred

Am Anfang war die Idee

Willy*Fred ist durchaus nicht das einzige Projekt nach dem Vorbild des deutschen Syndikatmodells, angelehnt an ein anarchistisches Wohnkonzept. In Deutschland gibt es derzeit etwa 90 bestehende Hausprojekte und jährlich kommen 15 bis 20 weitere dazu. Auch in Wien befindet sich seit heuer das Wohnprojekt SchloR in der zweiten von drei Bauphasen. Unterstützung bekommt es vor allem von Willy*Fred.

Der Name Willy*Fred wurde übrigens im Gedenken an eine Widerstandsgruppe aus dem Salzkammergut zur Zeit des Nationalsozialismus gewählt. Als Basis der Gruppe diente der Igel, der sich auch im Logo der Hausgemeinschaft widerspiegelt. Er war einst ein selbsterrichteter Partisan*innenunterschlupf im Toten Gebirge.


Weiterführende Links:

HabiTAT: https://habitat.servus.at/

Hausprojekt Willy*Fred: https://www.willy-fred.org/

Hausprojekt SchloR: https://schlor.org/

FIFTITU%: https://fiftitu.at/

VIMÖ: https://vimoe.at/

 

Ich wünscht ich könnt.

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