Illustration von Muskelmann und Muskelfrau

Gefährliche Fitness Lügen: Youtube und Instagram

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Instagram ist die wichtigste Marketingplattform unserer Zeit. Beinahe jeder will einem hier etwas verkaufen. Das ist auch bei Fitness-Influencern nicht anders. Der Unterschied ist aber, dass es hierbei um die Gesundheit von Menschen geht und nicht bloß um ihre Geldbörse. Wenn gefährliche Übungen auf Instagram gezeigt oder sinnlose Nahrungsergänzungsmittel verkauft werden, gefährden Social Media Stars nicht nur sich selbst, sondern viele leicht zu beeindruckende User.

Mann mit zwei Frauen auf dem Rücken macht Kniebeugen
© Lin W.

Der Mythos von funktionalem Training

Funktionales Training lässt sich als Gegenbewegung zum klassischen Bodybuilding verstehen. Die Idee ist, dass  Bewegungsabläufe, die mehr als nur ein Gelenk involvieren, alltagsrelevanter sind als Isolationsübungen. Mit anderen Worten, eine Kniebeuge ist für die meisten Menschen eine nützlichere Übung, als etwa bloßes Wadentraining. Die Fitnessindustrie hat den Begriff funktional jedoch gekapert. Alles, was möglichst verrückt aussieht, wird mit diesem Marketingbegriff übertitelt. 

Darunter findet man auch Übungen, die mit einem hohen Verletzungsrisiko verbunden sind und den Zuseher täuschen. So ging etwa vor einigen Monaten eine Challenge viral, bei der dazu aufgefordert wurde, Rückwärtssalti mit beladenen Langhanteln zu machen. Im Video wird natürlich nicht erwähnt, dass es sich bei der verwendeten Hantelstange um eine besonders leichte Trainingsstange handelt und dass bei einer tatsächlich stark beladenen Stange ein erhebliches Verletzungsrisiko bei der Landung in den Sprungelenken und Knien besteht. Diese Videos sind natürlich nicht die Regel, sie erreichen aber trotzdem Millionen von oft sehr jungen Usern, die sich eventuell beeinflussen lassen. Die Illustration oben zeigt ein weiteres Beispiel: Ein Instagram-Video, auf dem ein Influencer Kniebeugen auf einer Art Segway macht, während zwei Frauen auf seinen Schultern balancieren.

Bilder vs. Bildung

Diese Beispiele offenbaren ein fundamentales Problem von Instagram-Fitness. Nicht alles was gut aussieht, bildet eine sinnvolle Trainingsrealität ab. Dieses Video etwa, in dem zwei Bodybuilder sich für ein Promovideo der Firma Gymshark die Beine zusammenbinden, Gewichte heben und sogar auf das Laufband steigen. Das alles nur für gute Bilder und unter erheblichem Verletzungsrisiko. Besonders große Firmen wie Gymshark haben eine Verantwortung ihrer millionenstarken Community gegenüber. Beiträge wie dieser verletzen jede anständige Unternehmensethik.

Als wäre das noch nicht tragisch genug, greifen viele Fitness-Influencer zu illegalen Anabolika, die das Muskelwachstum steigern, um im knallharten Wettbewerb um den perfekten Körper mithalten zu können. Etwa der, ebenfalls von Gymshark gesponsorte, Instagramer David Laid, dessen enorm schnelle Körperveränderung im Alter von 17 Jahren auf Steroidmissbrauch hindeutet. Besonders bedenklich ist das, weil Influencer wie er Nahrungsergänzungsmittel vermarkten und parallel dazu Anabolika spritzen. Sie geben vor, durch Supplemente Ziele zu erreichen, die aber in Wahrheit auf illegale, leistungssteigernde Substanzen zurückzuführen sind. Das ist glatte Konsumententäuschung. 

Mann mit Steroidspritze
© Lin W.

Die Folgen dieses Missbrauchs können von erhöhtem Herzinfarktrisiko bishin zu Impotenz reichen. Bei Männern wie Frauen können sich außerdem Stimme, Gesichtszüge und Körperbehaarung stark verändern. Diese Faktoren spielen sich aber hinter den Filtern der Bildwelt von Instagram ab. Entgegen dem, was Influencer uns einreden wollen, gibt es keine Abkürzungen auf dem Weg zu weniger Fett oder mehr Muskeln, die nicht gleichzeitig die eigene Gesundheit aufs Spiel setzen.

Keep it simple!

Die Prinzipien von Muskelaufbau und Fettverlust sind eigentlich lange bekannt. Man baut auf, wenn man einen Überschuss an Kalorien zu sich nimmt und gleichzeitig seine Muskeln stetig mehr beansprucht. Will man Gewicht verlieren, dreht sich die Formel um, man muss mehr Kalorien verbrauchen, als man zu sich nimmt. So einfach könnte es für den Alltagssportler sein. Auf Instagram sieht das aber ganz anders aus: Hier wird auf Teufel komm raus verkompliziert, um Supplemente jeder Art zu verkaufen. Zu einem Proteinpulver, in dem absolut ausreichend viele, für den Muskelaufbau notwendige Aminosäuren enthalten sind, soll man noch mal zusätzlich BCAA’s (eine Art dieser Aminosäuren) nehmen, die bereits in dem ersten Präparat enthalten waren.

Dieser Rat entbehrt jeder Wissenschaftlichkeit, wird aber so von einem Arzt, Dr. Jim Stoppani empfohlen. Als wissenschaftlich fundiert verteidigt dieser seine Empfehlung in einem Video, weil er selbst gute Erfahrungen damit gemacht habe. Der Mann ist Arzt, er sollte wissen, dass Anekdoten keine seriöse Basis für ein wissenschaftliches Argument darstellen. In Wahrheit geht es hier wieder nur um Geld, Jim Stoppani verkauft seine eigenen Nahrungsergänzungsmittel. Wenn seine Community mehr von allem zu sich nimmt, verdient er mit.

Alles nur schlecht?

Instragram und Youtube sind Game Changer, was die Fitness-Industrie betrifft. Sie machen Informationen zu einem gesünderen Lebensstil für Millionen von Menschen zugänglich und vermitteln Freude am Sport. Leider fehlt seriöses Fact-Checking – man muss ein informierter User sein, um unterscheiden zu können, was sinnvoll und was Unsinn ist. 

Zum Glück gibt es auch einige sehr zu empfehlende Kanäle, die hervorragenden Content zur Verfügung stellen. Etwa Shredded Sports Science, der vorwiegend Faktenchecks von anderen Youtubern und Instagramern anbietet. Was Körpergewichttraining angeht, ist FitnessFAQs eine tolle Ressource. Der australische Physiotherapeuth, der die Seite betreut, ist hochkompetent. Wer lieber klassischen Influencer-Stil mag, der findet sich bei MegSqats wieder. Die Powerlifterin spricht sehr offen über Steroide, Gewichtheben während der Menstruation, Body Image und coacht auch sehr gut. Der beste Allround-Kanal ist aber mit Sicherheit AthleanX, der eine Art Fitness-Lexikon auf Youtube eingerichtet hat. Mit seiner abgeklärten „No Bullshit“ Attitüde ist der ehemalige Profibaseballer das Nonplusultra der Positivbeispiele.

Fitness im Internet ist also ein zweischneidiges Schwert. Zwischen Models, die glauben, ein aufgepumpter Körper reicht, um den Job eines Physiotherapeuten machen zu können, unnötigen Nahrungsergänzungsmitteln und fahrlässigen Trends, ist es manchmal schwer den Überblick zu behalten. Wer aber an Fitness interessiert ist und sich informieren will, kann das auch auf Social Media tun. Man darf nur nie den kritischen Blick für die Dinge verlieren. Eine Faustregel: Wenn etwas zu schön, um wahr zu sein scheint, dann ist es das auch meist.

Comitted to the best obtainable version of the truth.

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