Corona und die Psyche: 5 Tipps um gesund durch die Krise zu kommen

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„Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens“, so lautet die Definition der Weltgesundheitsorganisation. Während wir auf unsere körperliche Gesundheit seit Beginn der Coronakrise sehr viel Wert legen, leidet unser geistiges und soziales Wohlbefinden enorm. Wir haben mit einer Psychologin darüber gesprochen, wie man es trotz Krise und Lockdown(s) schafft, mental stabil zu bleiben.

Seit fast einem Jahr dominiert das Coronavirus unseren Alltag: Wir werden dazu aufgerufen, unsere sozialen Kontakte massiv einzuschränken, hanteln uns von Lockdown zu Lockdown, betreiben Home-Schooling und Home-Office und müssen auf viele Aktivitäten, die uns Freude machen, monatelang verzichten. Viele Menschen bangen um ihren Job oder haben diesen bereits verloren und müssen mit enormen finanziellen Einbußen zurechtkommen. Hinzu kommen bei vielen Sorgen um ihre eigene Gesundheit, sowie die von Menschen, die ihnen nahestehen. Wie sich das alles auf die menschliche Psyche auswirkt? „Das alles hat grundsätzlich verheerende Auswirkungen auf die Psyche“, so die Wiener Psychologin Natalia Ölsböck. „Beim ersten Lockdown habe ich gemerkt, dass viele Menschen da in eine Schockstarre verfallen sind und gar nicht damit zurechtgekommen sind, sich plötzlich so einsam zu fühlen. Wir brauchen menschliche Nähe.“

Die Ausgangslage sei jedoch von Person zu Person sehr unterschiedlich: Besonders kritisch sei es bei jenen Menschen, die mit zusätzlichen Belastungen zu kämpfen haben, wie Zusammenleben auf sehr engem Raum oder pflegebedürftige Angehörige, die es besonders zu schützen gilt. Auch jungen Menschen mache die Krise besonders zu schaffen: Viele von ihnen empfinden Angst vor ihrer Zukunft und den Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf ihre Jobsuche und Ausbildung. „Die Lebenspläne junger Leute werden großteils über den Haufen geschmissen. Sie haben das Gefühl, dass da ein Schranken runterfährt und wissen nicht, wie es je weitergehen soll“, meint Ölsböck. Was kann man nun aber tun, um angesichts dieser zahlreichen Belastungen nicht zu verzweifeln? Trotz der unterschiedlichen Ausgangssituationen gibt es ein paar allgemeingültige Strategien, wie es gelingen kann, psychisch gesund durch die Krise zu kommen:

  1. Selbstachtsamkeit

In einer Ausnahmesituation wie der, die wir seit 11 Monaten erleben, negative Gedanken zu haben, ängstlich, frustriert oder deprimiert zu sein, ist völlig normal und nichts, für das man sich schämen muss. Wichtig sei dabei jedoch, nicht zu viel zu grübeln und sich nicht in negativen Gedankenspiralen zu verlieren: „Man sollte immer wieder achtsam reinspüren und sich selbst fragen: Wie geht es mir gerade, körperlich und psychisch? Wie gehe ich mit der Situation um? Welche Gedanken und Gefühle tun mir gut, welche nicht?“, rät Ölsböck. Selbstachtsamkeit und bewusster Umgang mit den eigenen Gefühlen seien entscheidend, damit gelegentliche negative Gedanken nicht zu einer anhaltenden depressiven Verstimmung werden.

  1. Selbstfürsorge

Am Abend auf einen Drink mit Freund*innen zu gehen, im Fitnessstudio zu trainieren oder im Chor zu singen: Auf viele unserer Lieblingshobbys und Freizeitaktivitäten müssen wir zurzeit pandemiebedingt verzichten. Der stressige Alltag, in dem man von einem Ort zum anderen hetzt, scheint fern; übrig bleibt viel Zeit. Womit man diese Zeit am besten füllt? „Mit ganz, ganz vielen Dingen, die einem guttun“, schlägt Ölsböck vor. Ob Malen, Backen oder Wohnung verschönern: Die neu gewonnene Zeit bietet zahlreiche Möglichkeiten, Neues auszuprobieren und sich selbst zu verwirklichen. Dabei sollte nicht immer im Vordergrund stehen, produktiv zu sein, neue Fertigkeiten zu erlernen oder etwas Tolles zu erschaffen. Vielmehr geht es darum, sich darauf zu konzentrieren, welche Tätigkeiten das eigene Wohlbefinden steigern und davon möglichst viel zu tun.

Wenn man merkt, dass man bereits über einen längeren Zeitraum deprimiert und schlecht gelaunt ist, kennt Natalia Ölsböck einen Trick, mit dem es gelingen könnte, sich da selbst wieder rauszuholen: Dazu braucht man nur ein Stück Wollfaden, ca. 30 Zentimeter lang, den man ein paar Tage mit sich herumträgt. Immer wenn man ein kleines schönes Erlebnis hat oder eine positive Emotion verspürt, macht man einen Knoten in den Faden. Macht man das ein paar Tage lang, würde man mit der Zeit merken, dass die Anzahl der Knoten mit jedem Tag steigt, meint die Psychologin. „Das liegt daran, dass man mit der Zeit automatisch die Aufmerksamkeit schult, auf das was gut ist und sich somit auch immer mehr auf die guten und schönen Dinge im Leben konzentriert.“

  1. Bewusster Konsum von (sozialen) Medien

Täglich erreichen uns mittlerweile über diverse Kanäle die neuen Corona-Infektions- und Todeszahlen, regelmäßig auch die neuen Arbeitslosen- und Kurzarbeitsdaten. Die Coronakrise ist nicht nur eine Gesundheits-, sondern auch eine Wirtschaftskrise, die weltweiten, verheerenden Auswirkungen auf das Gesundheitssystem und den Arbeitsmarkt werden uns konstant vor Augen geführt. Kann das auf Dauer wirklich gut für die Psyche sein? Nein, ist sich Ölsböck sicher: „Ich glaube grundsätzlich, dass es, aus psychologischer Sicht, gefährlich ist, sich dem ständig auszusetzen.“ Sowohl in traditionellen wie auch auf sozialen Medien gilt es demnach, sich bewusst damit auseinanderzusetzen, welcher Content einem gut tut und Pausen einzulegen.

  1. Professionelle Hilfe holen

Bewusster Medienkonsum und Selbstfürsorge lösen nicht alle Probleme. Wie man merkt, dass der Punkt erreicht ist, an dem man sich professionelle Hilfe holen sollte? „Wenn man nur noch grübelt, nur noch negative Gedanken hat und es zunehmend schwierig wird, die abzustellen, wenn man Schlafstörungen hat, wenn man ständig unter Spannung steht, dann ist es wirklich höchste Zeit, Hilfe in Anspruch zu nehmen“, empfiehlt Ölsböck. Oft fällt es schwer, gegenüber sich selbst und seinen Mitmenschen zuzugeben, dass man es nicht alleine schafft und Hilfe braucht; psychische Erkrankungen und ihre Behandlungsmethoden sind nach wie vor mit einem großen gesellschaftlichen Stigma behaftet. „Wenn einem das lieber ist, gibt es auch wirklich tolle anonyme Angebote und Beratungsstellen“, so Ölsböck.

  1. Emotionen in Kreativität umwandeln

Eine Möglichkeit mit negativen Emotionen umzugehen, kann auch sein, sie in etwas Kreatives umzulenken, wie Tagebuch schreiben oder ein Bild malen. „Wir haben alle Wut, Angst und Trauer“, so Ölsböck. „Aber diese Gefühle können wir nützen.“ Jede Krise sei auch eine Chance: Wenn wir auf die letzten Monate zurückblicken, würde uns vielleicht auffallen, dass wir auch einige schöne Erlebnisse hatten und Dinge ausprobiert haben, die uns sonst nie in den Sinn gekommen wären. „Diese ganze Situation ist wirklich deppat“, findet Ölsböck. „Aber in allem Schlechten gibt es auch etwas Gutes.“

Hier bekommst du Hilfe:

  • Telefonseelsorge Österreich: 142
  • Corona-Sorgenhotline der Stadt Wien: 01 4000 53000
  • Psychiatrische Soforthilfe: 01/313 30
  • Rat auf Draht (für Kinder & Jugendliche): 147

Titelbild: (c) Fero Zboray

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