Mensch geht eine Straße entlang

VorLaut – Grüne Zwickmühlen

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Seit letzter Woche scheinen die Grünen verstanden zu haben, dass ihr Schweigen zur türkisen Migrationspolitik nicht mehr geht. Ihre Integrität scheinen sie trotzdem nicht wiedergefunden zu haben.

Im Profil schreibt die Grüne Bildungssprecherin Sibylle Hamann über die Abschiebung, bei der sie anwesend war. Ihr ganzer Text ist getragen von einer Mischung aus Verzweiflung und einem Gefühl der Machtlosigkeit. Die Ehrlichkeit und Qualität des Textes berührt, lässt einen aber auch mit dem Gefühl zurück, dass die Grünen auch tatsächlich machtlos sind. Ein tragisches Urteil für eine Regierungspartei.

Ich will nichts von dieser Machtlosigkeit hören. Gewählte Volksvertreter*innen haben sich einzusetzen. Ja, sie sollen im Sinne der Transparenz gerne auch ihren Schmerz reflektieren, dann aber bitte auch echten Kampfwillen zeigen. Wie die Grünen über die letzten Wochen um Sebastian Kurz Lieblingsthema herumtänzeln hat nichts mit jenen roten Linien zu tun, von denen noch in den Koalitionsverhandlungen die Rede war. Daran ändert auch Werner Koglers etwas forscheres Auftreten nichts. Es bleibt bei Symbolpolitik.

Eine Kommission mit Everybodys-Darling Irmgard Griss einzusetzen, ist ein kluger Schachzug. Die einzig richtige Lösung wäre aber gewesen, im Parlament für die Rückholung der Kinder zu stimmen. Nein, es gibt keine Mehrheit für humanitäres Bleiberecht in Österreich. Trotzdem können es sich die Grünen nicht mehr leisten, aus tagespolitischem Kalkül gegen ihre Prinzipien zu stimmen. Das tun sie schon zu oft.

Klubchefin Sigrid Maurer sprach diese Woche davon, dass man die Mehrheiten im Parlament ändern müsse und hat damit recht. Das entschuldigt aber nicht, dass die Grünen gegen die Rückholung von Menschen stimmen, die sie für zu Unrecht abgeschoben halten. Außerdem, wer wählt denn gerne eine Partei, die wiederholt gegen den dezidierten Wunsch ihrer Wähler*innen stimmt? Außerdem unterstützt man als Parlamentspartei immer auch die Fraktion, der man sich mit seinem Stimmverhalten anschließt. “Wir befinden uns mitten in einer Pandemie” ist kein Argument für eine linke Partei, dafür Rechtsnationalisten die Rutsche zu legen.

Den meisten mag das Stimmverhalten einer Parlamentspartei egal sein, am ehesten sind es aber grüne Wähler*innen, die ihrer Partei auf die Finger schauen. Sie waren es, die schon einmal zu Pilz und SPÖ davongelaufen sind, weil eine zerrissene Partei ihnen das Gefühl echter Repräsentation genommen hatte. Die Grünen müssen sich schleunigst eine neue Strategie zulegen, die sie zu ihren aktivistischen Wurzeln zurückführt, mit denen sie Erfolg hatten. Etwas Authentizität wäre schon einmal ein Anfang.

Comitted to the best obtainable version of the truth.

1 Comment

  1. Auf den Punkt gebracht! Wir (Grünen-) Wähler wünschen uns Eindeutigkeit und Courage. Eine Abstimmung im Sinne der eigenen Parteiprinzipien unf nicht dagegen hätte die bisherigen Wähler behalten und zusätzliche gebracht! Weil das Thema Abschiebung so viele Menschen in diesem Land grade ganz unabhängig ihres bisherigen politischen Couleurs so tief bewegt. Bin kein Prophet, aber mein Blick in die Kristallkugel sagt: Chance verspielt, viele Stimmen dahin. Schade.

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