Your life is a joke – wie wunderbar lächerlich alle sind

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In freudiger Erwartung, aber mit einem anständigen Anflug von „Warum zum Teufel habe ich mich nur darauf eingelassen“, sitzt Christian Ulmen da wie das Kaninchen vor der Schlange. Vor ihm, auf der ausgeleuchteten Bühne und dem so klischeehaften roten Vorhang, steht der grinsende Oliver Polak. Das Publikum des heutigen Abends um Ulmen herum wie Dekoration platziert, Nebensache. Die Intimität des Abends ist greifbar, denn beide wissen, der Abend gehört nur ihnen.

Täglich niest das Murmeltier. Vierte Welle, dritter Lockdown und das gesellschaftliche Leben schlägt wieder einmal den Pausengong. Pressekonferenzen reihen sich an Corona-Demos und das gottverdammte #staythefuckhome macht erneut Schule. Wir sitzen wieder in unseren WGs oder Ein-Zimmer-Wohnungen und haben nichts zu tun, wie unser Blinddarm. Der erste Lockdown hat uns Yoga, Töpfern und einen ausgeprägten Alltagsalkoholismus gebracht. Im Zweiten haben wir Stricken gelernt und waren täglich vis-à-vis mit Pamela Reif. Nun stehen wir dem dritten Lockdown gegenüber, wie der Ex-Freundin, die unverhofft auf dem Geburtstag eines gemeinsamen Freundes erscheint. Man muss sich irgendwie arrangieren. Und wieder fliegen uns Unmengen an Lockdown-Projekten, Ideen und Serienvorschlägen um die Ohren – da wäre es ja leichter, die Sterne am Firmament zu zählen. Deshalb gibt es hier einen weiteren:

Ab auf die Bretter, die die Welt bedeuten

Der Comedian Oliver Polak, einer der besten deutschen Zungen, wurde vor allem dadurch bekannt, Lothar Matthäus vor laufender Kamera einen „pädophilen Volltrottel“ zu nennen. In seiner neuen Netflix-Show „Your life is a joke“ verbringt er jeweils einen Tag mit Schauspieler Christian Ulmen, Rapperin Nura und Sängerin Jennifer Weist. Am Ende dieser Begegnungen schreibt er über Ulmen und Co. ein Stand-up auf Grundlage dessen, was ihm seine Gäste im Laufe des Tages leichtfertig anvertraut haben, auf einer Bühne vor Publikum und dem Gast selbst. Polaks durchgehender Soul dabei: „Du bist komplett lächerlich, Ulmen, aber ich hab‘ dich gern.“ Sein Roast steht dabei aber immer und allein unter dem Stern des bewundernden Sich-lustig-Machens.

Kickl, Kurz und dein Kumpel

Deshalb der Vorschlag an euch: Schreibt ein Stand-up über eure*n Partner*in, eure Mitbewohner*innen oder eure beste*n Freund*innen. Wir alle lieben Gags, Gags, Gags über den gartenzaungroßen Kickl, Sebastian Kurz‘ Fragen, ob schon Mittag gegessen wurde, oder über Arnautovic-Interviews auf Englisch. Also warum bitte sollen nicht jetzt mal unsere Mitmenschen an der Reihe sein? Eine größere Nähe kann es nicht geben und die Grundessenz jeder Komik ist immer die genaue Beobachtung. Außerdem ist in dem letzten Wochenende eines Freundes mehr Witz zu finden, als auf allen großen Bühnen und Teppichen der Prominenz. Sind wir mal ehrlich, viele Gags über sie liegen ja schon seit langer Zeit unter unserer Hirnrinde.

Das Leben imitiert die Kunst

Gerade jetzt ist es so wichtig, das Komische in uns, unseren Liebsten und der aktuellen Situation zu sehen. Ich meine, wie absurd bitte ist eine Pandemie? Wir müssen uns selbst als komische Figuren begreifen. Die heilende Wirkung des Scherzes. Den meisten erzählt man eh nichts Neues und viele sind viel härter mit sich selbst, als man je zu ihnen sein könnte. Also Zack Zack mit ihnen in den humoristischen Schwitzkasten, bevor sich der Schlüssel der Krise weiterdreht. Raus aus dem Jahrmarkt der Eitelkeiten und rein in das Hamsterrad der guten Laune. Entgegen jeder moralischen Verpflichtung. Und bitte packt die Witze vorher nicht auf eine Waage. Das Comedygewässer hat keine flachen Ufer, einfach reinspringen und vor lauter Lachen nicht mehr in den Schlaf kommen.


Titelbild: (c): Polina Tankilevitch/ pexels.com

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