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Weltraumabenteuer am Boden der Tatsachen – Wie wissenschaftlich ist The Expanse?

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Kaum eine Serie fasziniert so sehr wie The Expanse (Amazon Prime). Abgesehen von einem großartigen Science-Fiction-Plot bietet sie außergewöhnlich realistische Einblicke in das Leben im Weltraum. Die Tiefe, und Details aus Wissenschaft, Kultur und Politik, bilden ein gut überlegtes Universum und versetzen den Zuseher in eine Welt, deren Plausibilität man kaum hinterfragen will.

Die TV-Serie basiert auf der Buchreihe von James S. A. Corey. Aktuell wird die fünfte Staffel auf Amazon Prime veröffentlicht. Der Plot der Serie zeigt das Sonnensystem im Jahr 2350. Mond und Mars, sowie der Asteroidengürtel wurden kolonisiert. Das Sonnensystem wird mehr oder weniger in drei Fraktionen aufgeteilt: Erde, Mars und die Bewohner des Asteroidengürtels, die sich Belter nennen. Das wechselnde Gleichgewicht der drei Fraktionen und die Entdeckung eines außerirdischen Organismus führen zu teils extremen Entscheidungen. Diese werden oft sehr nachvollziehbar gerechtfertigt und sind dabei nicht weniger schmutzig, als die heutige Gegenwart. In vielen Aspekten wie Action, Drama, Horror und Erotik wird der Konsument befriedigt. Auch visuell begeistert die Serie: Es wird nicht gespart, weder an Raumschiffaction, noch an Kostümdesigns. Die wechselnde Kleidung der so schon sympathischen Schauspielerin Shohreh Aghdashloo (entworfen von ihr selbst) ist jedesmal wieder beeindruckend.

Bis ins Detail durchdacht


Warnung: Soft Spoiler. Die nächsten Absätze enthalten Inhalte der TV-Serie, die zwar nicht den Plot verraten, jedoch die Spannung der Serie nehmen können.


Die Serie imponiert mit realistischen und überzeugenden Science-Fiction-Inhalten von Raumschiffdesigns bis zu interplanetarer Politik und Kultur. Es ist faszinierend, wie wissenschaftliche Kleinigkeiten dargestellt werden. Angefangen bei den Raumschiffen: Sie besitzen kein flottes und cooles Kampfjet-Design, sondern sind – den Umständen entsprechend – unaerodynamisch und plump. Innerhalb von Raumschiffen entsteht erst durch Beschleunigung eine künstliche Schwerkraft. In der Schwerelosigkeit müssen die Raumfahrer ihre Magnetstiefel einschalten. Die Kaffeetasse muss nicht abgestellt werden, sondern schwebt umher. Blut und Tränen fließen in Schwerelosigkeit nicht nach unten. Ist das Raumschiff in einem Kampf höheren g-Kräften ausgesetzt, wird den Passagieren eine weiße Flüssigkeit injiziert, mit der der Körper den Belastungen standhalten kann. Medizinische Versorgung bei offenen Wunden gestaltet sich in der Schwerelosigkeit schwierig, denn Zellschäden und Gewebe verheilen kaum und eine Operation ist sehr schwer zu bewältigen. Menschen, die beispielsweise auf dem Mars aufgewachsen sind, sind die hohe Schwerkraft der Erde nicht gewohnt. Dasselbe gilt für die Erdler, die sich in geringerer Schwerkraft nicht wohl fühlen. Manche dieser Kleinigkeiten führen zu nicht unwesentlichen Konsequenzen für den Plot der Serie.

Der Weltraum – unendliche Weiten

Der Weltraum ist groß. Sehr groß. Dies scheint zwar offensichtlich, jedoch bekommt man in dieser Serie ein viel besseres Verständnis dafür, wie viel Platz zwischen den Gesteinsbrocken des Sonnensystems ist. Sobald man die Route gewählt hat, wird der Fusionsantrieb gestartet. Bevor man den Zielort erreicht, dreht man das Raumschiff um 180 Grad und bremst ab. Dieses Konzept findet man immer wieder in der gesamten Serie und es ist absolut logisch und sinnvoll. Andere Raumschiffe werden oft aus der Ferne an der blau leuchtenden Antriebssignatur erkannt. Schwarz gefärbte Außenhüllen sind auf dem gleichfarbigen Hintergrund des Weltalls nur schwer zu entdecken. Die am häufigsten eingesetzten Waffen sind Torpedos mit Raketenantrieb. Das ist äußerst realistisch, denn Feuerwaffen sind in so großen Distanzen oft nutzlos und haben einen Rückstoß. Laser, welche in der Serie ohnehin nicht vorkommen, streuen mit zunehmender Distanz kegelförmig auseinander und haben wissenschaftlich gesehen oft nicht den zerstörerischen Effekt, den man in anderen SciFi-Serien erlebt.

Der Klang des Weltalls

Meine Lieblingsszene der Serie war jene, in der ein Raumschiffantrieb gezündet wird und ein Metallgerüst dahinter zu glühen und schmelzen beginnt. Es gibt zwar keine Schallwellen im Vakuum, jedoch sind Raumschiffgeräusche und Waffen für den Zuseher trotzdem hörbar, um ihn akustisch in das Geschehen einzubinden. Man könnte zwar meinen, das sei absolut unrealistisch und gehört sich nicht für eine derartige Serie, jedoch würde viel Spannung verloren gehen. Wenn es notwendig ist, die Stille des Vakuums darzustellen, wird dies auch professionell gemacht: Beispielsweise wird in einem Außeneinsatz das Funkgerät ausgeschaltet und die Charaktere müssen ihre Helme aneinander pressen, um sich zu hören (das selbe Prinzip wie bei einem Bechertelefon).

Das Abnormale


Warnung: Hard Spoiler. Die nächsten Absätze enthalten Inhalte der TV-Serie, die den Ausgang gewisser Handlungsstränge bis zur 3. Staffel verraten.


Der Plot der Serie handelt nicht nur von den politischen Spannungen der drei Parteien, sondern dreht sich immer wieder um ein Thema: das Protomolekül. Die mysteriöse, blau leuchtende Substanz scheint lebendig zu sein und reagiert auf ihre Umwelt. Sie ist nicht ungefährlich, denn wie ein pilzartiger Organismus wächst und verbreitet sie sich. Sie scheint ihren eigenen Willen zu besitzen und ist die Ursache für so manche bizarren Phänomene. Nahezu alles was rund um diese Substanz passiert, ist wissenschaftlich unerklärlich und auch metaphysisch schwer erklärbar. Sie infiziert Menschen und ahmt diese nach, kann zur Gentechnik verwendet werden, scheint ganze Asteroiden in Bewegung zu versetzen, zerlegt Objekte in ihre Einzelteile und erschafft letztendlich ein Portal zu mehreren anderen bewohnbaren Welten. Ob es eine Lebensform ist oder eine Art programmierbares Material, ist ein Rätsel, doch eines wird bald klar: Das Protomolekül wurde von einer unbekannten außerirdischen Spezies erschaffen. Der Zuseher wird bei all diesen Mysterien nicht alleine im Dunklen gelassen: Die Charaktere sind genauso sprachlos. 

Nach den ersten paar Folgen hat einen die Serie voll im Griff und man beginnt zu begreifen, dass Laserschwerter, Beamen und extravagante Raumschlachten eine liebgewordene Illusion sind. Die Spannung bleibt aufgrund der Tiefe der wissenschaftlichen und politisch kulturellen Details erhalten. Alleine das leicht variierende Intro erzählt jedesmal kleine Geschichten und wird von Enthusiasten nicht übersprungen. Die Handlungsstränge der einzelnen Charaktere haben nicht zu viel Drama und bilden in Wechselwirkung mit dem Protomolekül unvorhersehbare Spannungskurven. Die 5. Staffel zeigt eine Fortsetzung mit viel Nervenkitzel der auch so schon spannenden Serie. Laut Amazon endet nach Staffel 6 das Abenteuer leider. Generell empfiehlt es sich, die Serie auf Englisch anzusehen, da für die Belter eine eigene, sehr interessante Kreolsprache entwickelt wurde. Kleiner Tipp für Lesefreudige: Die Buchserie begeistert mit weitaus mehr spannenden Details.

Titelbild (c) Jongsun Lee/unsplash.com

Student an der Uni Wien

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