Arnulf Rainer – ein Porträt

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Am 8. Dezember feierte Arnulf Rainer seinen 90. Geburtstag. Dem österreichischen Maler widmet die Albertina zum zweiten Mal in fünf Jahren eine Ausstellung, seit zehn Jahren stehen die Türen des Arnulf Rainer Museums in Baden für Besucher offen. Der Ausnahmekünstler ist international bekannt. Werke von ihm wurden bereits in renommierten Museen und Galerien wie dem Guggenheim-Museum in New York oder dem Centre Pompidou in Paris ausgestellt.

ALBERTINA Wien © Arnulf Rainer: Schlaf, 1973-74

Arnulf Rainers weltweite Bekanntheit verdankt er seinen „Übermalungen“. Diese entstanden in den 50er und 60er Jahren und sind bis heute aktuell. Augenblicklich wird eines der bekanntesten Werke jener Schaffensphase in der Albertina ausgestellt. Es ist eine schwarz-weiße Fotografie, die auf Holz gedruckt wurde und den Akt von Arnulf Rainer zeigt. Die Fotografie ist mit gelber, roter und schwarzer Farbe bemalt. Anhand von wenigen, verschmiert aufgetragenen Pinselstrichen wird ein garnelenförmiger Kringel gebaut, der Rainers Scham zensiert und sein Gesicht auslässt. Außerdem ist das Bild mit Schnitzern versehrt.

Das Motiv der Fotografie, Arnulf Rainer, sitzt zur Seite geneigt auf dem Boden und blickt mit halb-offenem Mund nach oben. Sein Ausdruck beschreibt Genuss in einer klischeehaften Form. Was Arnulf Rainer genießt, ist nicht erkennbar. Rainer sagt in einem Interview: „Es kommt mir lediglich auf die physisch-körperliche Expression an.“ Es ist davon auszugehen, dass er das Gefühl von Genuss darstellen möchte und nicht dessen Ursache. Die dazu gewählte Form lässt Ironie vermuten. Rainers Nacktheit, die Pose und der Gesichtsausdruck scheinen gewollt lächerlich zu sein.

Übermalt

In den 1960er Jahren lässt sich Arnulf Rainer von der Malerei psychisch Erkrankten inspirieren. Die Fotografie des Aktes und das Gesichts-Portrait beschreiben in den dabei entstehenden Werken das objektiv erfassbare Sein. Die Übermalungen zeigen die verzerrte Selbstwahrnehmung durch die Brille des Wahnsinns. Wenn Rainer tiefe Furchen über sein Gesicht malt oder Schnitte in die Bilder ritzt, drückt er dabei das Selbstverständnis einer psychisch kranken Person aus.

Dabei zeigen die Motive der Fotografien teils lustige Grimassen und positive Emotionen. Die fotografierten Schauspieler überskizzieren ihren Ausdruck und schaffen so ein ironisches Verhältnis zu ihrer Rolle. Die Botschaft des Bildes wird formuliert, indem der Ausdruck der Fotografie in Konflikt mit der Übermalung gebracht wird.

Zumeist ist das Ergebnis schauerlich und düster. Arnulf Rainers Farben vermitteln eine nicht definierbare „Unreinheit“ in den sehr deutlich gezeigten Emotionen der Motive. Eben wie bei einem Wahnsinnigen: Sein Geist ist durchsetzt von bösartigen, psychischen Geschwüren.

Verbrechen

Arnulf Rainer studiert sowohl auf der „Akademie der bildenden Künste“ als auch auf der „Angewandten“ und schließt keine Universität ab. Er lebt eine zeitlang asketisch, wenig später verliert er sich in Drogenexzessen. Er beginnt als figurativer Surrealist, sympathisiert mit den Wiener Aktionisten, wendet sich schlussendlich von allen Strömungen ab und findet seine eigene Linie. Aus Mangel an Geld übermalt er die Bilder anderer Künstler. Im Drogenrausch fotografiert er sich Grimassen schneidend und übermalt die Bilder wie entsonnen – und sichert sich dabei seinen Platz in der Kunstgeschichte. In den 80er Jahren beginnt sein Schöpfen Früchte zu tragen: Er wird im internationalen Raum und von namhaften Galerien und Museen ausgestellt und von der „Akademie der bildenden Künste“ zur Professur berufen. Es geschieht ein Verbrechen: 1994 werden 26 seiner Bilder, die zuvor im „Guggenheim Museum“ in New York ausgestellt waren, zerstört. Grausam ironisch werden sie mit schwarzer Farbe übermalt. Bis heute ist der Täter nicht bekannt.

ALBERTINA, Wien © Arnulf Rainer: Winterabend (Kreuz), 1990-1991

Wenn man Arnulf Rainers Leben und Schaffen betrachtet, fällt ein ständiges Wechselspiel zwischen Konstruktion und Destruktion auf. Rainers Werk ist versetzt vom Dunklen und Bedrohlichen. Die Farbe Schwarz überwiegt. Im Gegensatz dazu steht das immer wiederkehrende Motiv des Kreuzes in Rainer Werk. Die Kreuze werden gemalt oder gebaut und sind teilweisesehr groß. Und obwohl Arnulf Rainer ihren religiösen Bezug verleugnet und sie als einfache „Fläche“ bezeichnet, steht für den Betrachter ihre symbolische Kraft fest. In der Albertina ist den Kreuzen ein schreinartiger Raum gewidmet, dessen spirituelle Energie wahrscheinlich jeden erfasst, der ihn betritt.


Weitere Infos

Website des Arnulf Rainer Museums

Ausstellung von Arnulf Rainer in der Albertina

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