Mädchen am Fluss

Warum es sich lohnt wütend zu sein

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Schauspielerin, Regisseurin, Produzentin und feministische Superheldin, Phoebe Waller-Bridge verewigt sich mit der Adaption ihrer One-Woman Show Fleabag (BBC Three 2016) im Kanon der besten Serien aller Zeiten. Vielen Mittzwanzigern spricht Waller-Bridge in ihrer Rolle aus der Seele und bildet damit die Grundlage über etwas Wesentliches nachzudenken: Female Anger.

I am Fleabag

Obwohl Waller-Bridge durch ihren familiären Background prädestiniert ist, einmal erfolgreich zu werden (sie wuchs in behüteten Verhältnissen in West London auf, besuchte eine Privatschule und absolvierte ihren Abschluss auf der RADA in London), gehörte sie nicht zu denjenigen, die nach der Schauspielschule von der Probebühne direkt auf die Weltbühnen getreten ist, sondern musste sich ihren Platz erst hart erarbeiten. Die ersten Versuche eine eigene Karriere zu starten, um sich von stereotypischen „Frauenrollen“ der Theaterwelt zu lösen, missglückten. So schreibt sie die Rolle, für die sie niemand casten wollte einfach selber: Fleabag.

I feel like I have a place here and I feel like I have stories to tell and performances to give and if nobody is giving them to me, I will fucking go out there and do it on my own.

© Ulrike Schild

Female anger

Viele junge Menschen in ihren 20ern erkennen sich in Fleabag wieder. Waller-Bridge schuf einen Charakter, der sich durch Dualität auszeichnet und so Identifikationspotential schafft: Nach außen hin scheint man sein Leben im Griff zu haben – Haarschnitt und roter Lippenstift sitzen, doch innerlich ist man aufgewühlt und hat eigentlich keine Ahnung was morgen passieren wird. Man widerspricht sich unerbittlich, hat dunkle, manchmal perverse Gedanken, ist wütend und weiß nicht wohin damit.
Das Narrativ der weiblichen Wut wurde über Jahrzehnte hin manipuliert. Frauen seien hysterisch und würden die Nerven verlieren, wenn sie in Rage sind. Bei Männern kämen animalische Instinkte an die Oberfläche, die gesellschaftlich akzeptiert werden, wohingegen Frauen etwas, oder gar sich selbst verlieren würden. Frauen sollen ihre Wut unterdrücken, weil Weiblichkeit und Wut sich außer dem Anfangsbuchstaben nichts teilen dürfen.

Was wäre, wenn wir das nicht tun würden? Wut von Weiblichkeit zu trennen bedeutet Mädchen und Frauen der Ungerechtigkeit auszusetzen. Was wäre, wenn wir stattdessen emotionale, geschlechterübergreifende Kompetenzen entwickeln? Wir sozialisieren Kinder immer noch binär. Resultat sind absurde, starre Männlichkeitsnormen. Jungs wird beigebracht auf weiblich konnotierte Emotionen zu verzichten und Aggression und Wut als Zeichen für echte Männlichkeit zu akzeptieren. Mädchen lernen ehrfürchtig zu sein, was mit Wut unvereinbar ist. So wie wir gelernt haben, unsere Beine zu kreuzen und unsere Haare zu zähmen, haben wir auch gelernt, in unsere Zunge zu beißen und unseren Stolz zu schlucken. Dagegen hilft Wut. Wut ist da, um für seine Rechte einzustehen, um die Wut selbst zu kanalisieren und den „Schreibmuskel“ zu beanspruchen, zu malen, Sport zu machen, oder was einen auch immer lebendig fühlen lässt. Die Berliner Rapperin Sookee hat in einer Diskussionsrunde für Backspin auf die Frage, warum es so wenige weibliche Rapper gibt, geantwortet:

Ich glaube das liegt daran, dass wir in einer Gesellschaft leben, die Frauen einredet, dass sie keine Wut haben dürfen. Und für Rap braucht man schon ’n bisschen Wut.

© Ulrike Schild

Stv. Chefredaktion / Gesellschaft

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