Mensch geht eine Straße entlang

VorLaut – Das türkise Image bröckelt

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Eine Plagiatsaffäre, das gescheiterte Millionenprojekt Kaufhaus Österreich und jetzt des Kanzlers best buddy Blümel als Beschuldigter in einem Korruptionsverfahren? Die Luft wird dünner im türkisen Schlaraffenland.

Nach einem polemischen Tweet des Aktivisten Rudi Fussi droht das Innenministerium diese Woche mit einer Klage. Innenminister Nehammer behauptet mittlerweile, das sei alles nicht so gemeint gewesen. Ob nun Dilettantismus im Ministerium oder ernst gemeinter Einschüchterungsversuch – nach starkem Mann, als der sich Nehammer und der Rest der türkisen Partei so gerne sehen, wirkt das nicht. Unter der, ähnlich den Frisuren der Protagonisten, glatt gestriegelten Oberfläche scheint es zu brodeln.

Wie will man auch verteidigen, dass man Verfassungsfeinde ohne Mundschutz spazieren gehen lässt, während Jugendliche bei einer Abschiebung von Spezialeinheiten weggezerrt werden? Als “Wirtschaftspartei” eine einfache Onlineshop-Website millionenteuer zu versemmeln, ist ebenfalls nicht besonders elegant. Auch kommt es nicht unbedingt gut an, wenn man sich mehr “Leistungsträger” wünscht und eine Ministerin ihre Arbeiten auf der Uni vermutlich nicht selbst geschrieben hat.

Bisher ließen sich die Probleme der Volkspartei immer wieder mit Ablenkungsmanövern beseitigen. In den letzten Wochen scheinen aber selbst die PR-Spezialist*innen überfordert zu sein. Neben allem oben genannten, wird jetzt gegen den Finanzminister wegen Korruption ermittelt. Wo sind die eiserne Disziplin und Professionalität der neuen Volkspartei, die immer wieder von Politikanalyst*innen besungen wurden?

Wo ist der Parteichef geblieben? Die Strategie, dass Sebastian Kurz immer dann verschwindet, wenn in seiner Partei etwas nicht rundläuft, ist mittlerweile sogar schon seinen größten Loyalist*innen aufgefallen. Wenn man sich als Partei der unfehlbaren Manager*innen positioniert, dann schadet es dem Image umso mehr, wenn man dieses Versprechen nicht einlöst. Fehlerkultur in Türkis ist ein Widerspruch in sich.

Es wird eng, auch weil die Grünen endlich ein mächtiges Druckmittel in die Hand bekommen haben. Die SPÖ versicherte am Freitag, dass sie, sollte die Regierungskoalition zerbrechen, nicht als Partner für die ÖVP zur Verfügung steht. Treibt Kurz es also zu weit, bliebe ihm nur noch die Option Türkis-Blau, die er nicht ernsthaft wollen kann. Zwar würde diese Koalition ideologisch am besten passen, nach Ibiza geht sich das aber einfach nicht mehr aus. Selbst die eiskältesten Pragmatiker*innen in der ÖVP müssen verstehen, dass man sich damit für viele Bürgerliche in die Unwählbarkeit schießen würde.

Dann bleibt da noch der schlafende Riese. Den, in der Partei so mächtigen, Landeshauptleuten würde eine Neuauflage von Türkis-Blau sicher nicht gefallen. Sobald Kurz Erfolgsserie endet, könnten sie den Kanzler, dessen Wahlsiege ihrer ewiggestrigen Regentschaft einen pastellfarbenen Anstrich gegeben hat, über Bord stoßen.

Die nächsten Wochen könnten also die entscheidenden der türkisen Geschichte werden. Gelingt der Partei wieder ein Ablenkmanöver, bleibt wohl vieles wie es ist. Mit dem feinen Unterschied, dass die Grünen sich größerer Macht sicher sein können. Schaffen die Türkisen das nicht und ihr Abwärtstrend in den Meinungsumfragen setzt sich fort, könnte Kurz den Rückhalt in der Partei verlieren. Versucht er sich daraus wieder zu retten, indem er die Koalition sprengt, wäre die österreichische Innenpolitik endgültig nicht mehr von Satire zu unterscheiden. Das wäre dann nämlich “Neuwahlen durch Kurz, die Dritte.”


Titelbild: (c) Lara Portha

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