Claudio Osele

Ehestreit im Theater an der Wien

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Johann Adolf Hasse. Einer jener Barock-Komponisten, die in Bachs, Vivaldis und Händels Schatten ein relativ tristes Dasein führen. Doch der Dirigent Claudio Osele, der die Kammeroper La Semele aus dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde ausgegraben hat, beweist, dass Hasse unsere Aufmerksamkeit durchaus verdient hat.

Es ist eine antike, griechische Seifenoper: Der Göttervater Giove sieht sich in seiner privilegierten Stellung dazu berufen, Frauen mit seinem göttlichen Funken zu beglücken. Bei der schönen, irdischen Semele findet er sein Glück. Wäre da nur nicht seine Frau, Giunone, die ihn und seine Geliebte bedroht, und ihr mit einer List den Tod bringt. Doch was wäre die Stellung als Göttervater, wenn man nicht verstorbene Geliebte wieder zum Leben erwecken könnte? Da stehen sie also wieder, die Drei. Und trotz allem Streiten, Schmachten und Verzweifeln endet das Drama mit einem ehelichen Kompromiss: Giunone erkennt, dass sie Gioves Macht ergeben ist, dieser wiederum verspricht ihr seine Treue.

Mit diesem letzten Satz „sarò a Semele amico e a te fedele“ entlockt Giove dem Publikum den einzigen aber herzhaften Lacher des Abends.

Ein puristischer Musikgenuss

Das Theater an der Wien präsentiert La Semele in ihrer ungeschminkten Schönheit, und zwar als eine konzertante Aufführung. Die Kammeroper für drei Sänger und ein Streicherensemble war in ihrer reduzierten Form für private Anlässe komponiert. Die drei italienischen Sängerinnen stehen hinter ihren Notenständern und lassen sich teilweise zu spontanen Eigeninszenierungen hinreißen. Funktionieren tut es erstaunlich gut, es erspart auf jeden Fall ein konzeptuelles Gehample und fokussiert auf Musik und Interpretation.

Männchen und Weibchen

Sonia Prina gibt mit ihrem voluminösen und metallreichen Alt den Giove und spielt mit weiblichen und männlichen Elementen.

Dass in der Oper (und besonders in der Barockoper) oft Männer von Frauen und Frauen von Männern dargestellt werden, zeugt eigentlich von einer erstaunlichen Progressivität im Gender-Thema. So wurde zum Beispiel für Hasses erste Kammeroper Marcus Antonius von einer Altistin und Kleopatra von einem Kastraten gesungen.

Giunone vergießt keine Träne

Als Giunone erleben wir die leider etwas matte Roberta Invernizzi. Die arme, betrogene Frau tobt, doch sie trauert nicht. Daher wirkt auch alles Toben leider bloß aufgesetzt. Die fast schon schizophrenen Rache-Arie, die zwischen Dur und Moll übergangslos und unbarmherzig moduliert, bleibt interpretatorisch platt.

Hasse überlässt die göttlichsten Arien der irdischen Semele

Als schöne Semele bezirzt Arianna Vendittelli, die beweist, dass man Barock auch ohne stilistische Krücken singen kann: Vendittelli interpretiert Hasse, als ob es Mozart wäre und gewinnt: Mit rührenden Phrasen markiert sie eine stolze Frau, die das Götterpaar in ihrer Reinheit überstrahlt.

Der Hasse-Experte Claudio Osele gibt mit tänzerischem und direktem Stil der Serenata einen frischen Anstrich. Er ist einer jener Dirigenten, die das Werk für sich selbst sprechen lassen. Sein Ensemble Le Musiche Nove läßt einen trotz heiklen, barocken Instrumenten in melancholische Tiefen tauchen.

Nach fast drei (!) Stunden Musik fühlt man sich erfrischt und muss Osele Recht geben: „In La Semele gibt es keine Längen. Ein starkes Stück folgt auf das andere“.

Titelbild (c) Katharina Kovacic

Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit.

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