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Heroin-Chic: Warum Frauenkörper keine Trends sind

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Die New York Post hat kürzlich davon berichtet, der Heroin Chic aus den 90er Jahren sei wieder zurück – mit ihr auch die allzu bekannte Abwertung und Objektivierung weiblicher Körper. Diese sollten jedoch weder Trend, noch Projektionsfläche für Kommentare sein.

Unsere Gesellschaft, immer noch umhüllt von einem patriarchalen Schleier, hat in den letzten Jahren nicht nur Fortschritte in der frauenrechtlichen Bewegung gemacht, sondern sich dafür zelebrieren lassen: #metoo und #bodypositivity waren gute Anstöße, die einige Debatten ins Rollen gebracht haben. Der Anschein, wir würden uns in eine Richtung, in der eine Frau einfach sein kann, bewegen, zerbricht nun – wieder einmal.

Die letzten Jahre des Frauenkörpers

Googelt man „Bewertung von Frauenkörper“, ist das achte Suchergebnis, das auf der ersten Seite erscheint, ein BMI-Rechner, in denen Frauen ihr Idealgewicht berechnen sollen. Der BMI misst jedoch keine Muskelmasse und ist im Generellen genauso veraltet wie der Gedanke, dass jede Frau gleich aussehen muss. Sucht man ein wenig länger, findet man Seiten, Ratgeber und Diät-Tipps, damit man dem gesellschaftlichen Ideal entsprechen kann. Passiert das, werden Frauen sexualisiert. Passiert das nicht, werden sie entwertet und beleidigt. Seiten, die das auf die Spitze treiben, kategorisieren Frauen mittels einer Skala von eins bis zehn, auf der in der detaillierten Beschreibung eins als „schrecklichste, schmutzigste und zahnloseste (…) Braut“ definiert wird und sieben als „das beste, dem wir so im Alltagsleben begegnen“.

So erschreckend, wie sich diese Zeilen lesen, so real ist der tägliche Diskurs über Frauenkörper – seit Jahrzehnten, oder schon immer. 2009 schrieb ein österreichisches Magazin einen gesamten Artikel darüber, dass Britney Spears angeblich Cellulite hat. 2011 schrieb die BILD Zeitung davon, Frauen würden am einfachsten im Alter von 28 Jahren eine Diät durchhalten, da danach ihre Willensstärke abnimmt. 2013 schrieb ein Lifestyle Magazin darüber, dass auch berühmte Frauen mit Gewichtsschwankungen zu kämpfen haben. 2017 wurde in der Bild der Frau ein Artikel veröffentlich, der sich „So funktioniert die Gurken-Blitz Diät“ nennt. 2022, also dieses Jahr, schrieb eine deutsche Zeitschrift über 25 Stars, die „massiv an Gewicht zugelegt haben“.

Weibliche Körper dürfen keine Trends sein

Mit ihrem neuen Artikel hat sich auch die New York Post in die lange Liste der Medien eingereiht, die Frauen auf ihren Körper reduzieren. Es scheint, als würden alle etwas vergessen, oder viel eher nicht bedenken: Wir sprechen von Frauen, von Menschen, über die geurteilt wird. Bestimmt ist das Patriarchat eine Welt, die von und für Männer gedacht ist. Doch die Objektivierung von Frauen umfasst nicht nur, dass sie nicht mitgedacht werden, sondern auch, dass sie großen Schaden davontragen (können). Es gibt mehrere Gründe, wieso genau das nicht in Ordnung ist.

Erstens suggerieren Körpertrends allen Frauen, dass sie nur dann begehrenswert und toll sind, wenn sie gewissen Maßen entsprechen – und das beinhaltet jeden viralen Körpertrend, den es gegeben hat. Es ist ausgrenzend, da ein Trend erst dann entstehen kann, wenn ein anderer vorbei ist. 2010 war der Beginn eines Jahrzehnts, in dem kurvige Körper als Trend gefeiert wurden. Damals fand man das bemerkenswert, da Frauen nicht mehr dünn sein mussten, um als schön zu gelten. Alison Stevenson schrieb in einem Artikel für Vice jedoch, dass sie sich nun noch ausgegrenzter fühle als zuvor. Denn jetzt, wo kurvigere Körper als attraktiv galten, und sie eigentlich dazu zählen sollte, war sie „wieder einmal“ nicht inkludiert – die Kurven durften nämlich nur an gewissen Stellen sichtbar sein.

Zweitens resultieren Trends, die Frauen ein gewisses Aussehen aufdrängen, in gesundheitlichen Schäden. Im besten Fall enden Diäten in einem Vitaminmangel, im schlimmsten im Krankenhaus wegen Unterernährung und gesundheitsgefährdendem Untergewicht. 2017 litten 7.500 junge Menschen in Österreich an Magersucht, 95 Prozent davon waren Frauen. Angststörungen, Depressionen, Körperwahrnehmungsstörungen sind nur wenige der Krankheiten, in die ein innerer Konflikt nach dem Streben eines neuen Trend-Körpers, münden kann. Ein Trend kann als solcher gesehen werden, oder als etwas, durch das Unternehmen Geld verdienen. Ein Trend wie dieser ist aber auch (Mit-)Grund, warum Frauen sterben.

Es bleibt wichtig, laut dagegen zu halten

Keine Frau gleicht der anderen, so ist das auch mit ihren Körpern. Einen Trend aus Frauenkörpern zu kreieren, die variabler nicht sein könnten, macht keinen Sinn. Nur kennen wir es zu gut, dass man versucht, Frauen zu unterdrücken, zu bewerten und objektivieren, dass es uns allen schwer fällt zu sehen, wie absurd das ist. Frauen sollen so sein dürfen wie sie sind, denn es bedarf kein Patriarchat, keine Gesellschaft, keinen Trend, keine Unternehmen und keine Männer, die darüber urteilen, wer schön, dünn oder attraktiv genug ist. Frauen sind Menschen, keine Projektionsfläche – und vielleicht müssen sie es irgendwann anderen nicht mehr in Erinnerung rufen.


Titelbild: Alexander Krivitskiy/ unsplash.com

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