CERN – was passiert eigentlich in dem Riesendonut unter der Erde?

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„Lepton-Universalität mit 3.7 σ gebrochen“. „Laserkühlung bei Atomen von Anti-Wasserstoff geglückt“. „Muon g-2 könnte Neue Physik einleiten“. „Exotische Materie in Form von Tetraquarks entdeckt“. Hä? Ich meine, wie bitte? Während wir uns in der Monotonie der Lockdowns gesuhlt haben, sorgten die kleinsten Bausteine der Natur für Schlagzeilen. An den Teilchenbeschleunigern unserer Welt wurden bahnbrechende und ergänzende Entdeckungen gemacht. Die Poleposition hält hierbei das CERN, vielen ist es zumindest ein Begriff. Aber was passiert dort genau?

Und was ist es? Eines der großen Forschungsinstitute.
Wo? In der Schweiz.
Was? Irgendwas mit Physik.
Genauer? Nobelpreis-Physik, so Einsteinzeugs.
Wie funktioniert es? Mit einem großen Experiment.
Wozu? Zur Grundlagenforschung?

Nobelpreis-Physik und Grundlagenforschung sind eigentlich zwei unterschiedliche Dinge. Letztere beschäftigt sich mit der Erkenntnis fundamentaler Gesetzmäßigkeiten in der Natur. Spitzenforschung hingegen nimmt sich Phänomene vor, die hochkomplex sind. Eben Forschung auf höchstem Niveau. Bei genauerer Betrachtung sind die beiden aber miteinander verknüpft. Spitzenforschung geht nicht ohne die grundlegenden Prinzipien, diese sind oft noch unverstanden und brauchen Grundlagenforschung. Und das macht das CERN.

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Allein schon deswegen, weil du das gerade online lesen kannst. Am CERN wurde nämlich das World Wide Web erfunden und der Menschheit zur Verfügung gestellt.
Ursprünglich wurde das CERN gebaut, um die nützliche, nicht zerstörerische Seite der Kernphysik zu erforschen (Kernenergie zur Stromerzeugung in Atomkraftwerken). Schon bald aber wechselte das Conseil européen du recherche nucléaire zur Teilchenphysik, die nur einen Schrödingers Katzensprung von ihr entfernt ist. Sie beschäftigt sich mit den kleinsten Legosteinchen überhaupt. Nein, nicht mit den Atomen, sondern den Teilchen, die selbst Atome aufbauen. Da gibt es inzwischen so viele, dass man sie als den Teilchenzoo bezeichnet.

Im CERN werden Elementarteilchen untersucht. Sie haben die Eigenschaft, dass sie aus keinen anderen Teilchen mehr bestehen, sie sind die Grundsteine. Man teilt sie ein in Fermionen und Bosonen. Fermionen werden noch mal unterteilt in Quarks und Leptonen. Zu den Leptonen gehören u.a. das Elektron, ein negativ geladenes Teilchen, und das Neutrino, das neutral ist. Die „Topfen-Teilchen“ bauen gemeinsam mit den Bosonen – den Trägerteilchen der Grundkräfte – weitere Teilchen auf, wie z.B. das Proton.
Gemacht wird das Ganze, um die Antwort auf die Fragen aller Fragen beantworten zu können: „Wie ist das Universum entstanden und warum?“ Kein Scherz, Teilchenphysiker*innen sind wirklich so basic. Das sogenannte Standardmodell der Teilchenphysik, das die oben genannten Teilchen beinhaltet und beschreibt, kann trotz seiner Schönheit nicht alles erklären. So sind etwa Einsteins Relativitätstheorie und die Quantenmechanik nach unserem Wissensstand nicht miteinander vereinbar, aber offensichtlich lassen beide das Universum funktionieren. Zusätzlich werden am CERN aber auch neue Technologien entwickelt, um unseren Alltag oder die Arbeit in der Industrie zu erleichtern.

Aha, ok, und wie geht das jetzt?

Mithilfe von Teilchenbeschleunigern. Das sind große, donut-förmige Metalltunnel, die mit mehreren tausend Magneten ausgestattet sind, welche die Teilchen zu immer höheren Geschwindigkeiten hin beschleunigen. Die leichtesten Teilchen unter ihnen, am besten masselos, können sogar Lichtgeschwindigkeit erreichen. Mit jeder Runde im Tunnel werden sie schneller, wobei das in einem großen Ringbeschleuniger länger dauert und mehr Energie braucht. Daher werden sie in sogenannten Linearbeschleunigern, die gerade verlaufen, oder in kleineren Ringbeschleunigern vorbereitet. Sobald sie die gewünschte Reisegeschwindigkeit haben, werden sie in die Ringbeschleuniger gespeist. Der größte Teilchenbeschleuniger ist der LHC, der Large Hadron Collider.

Large. Er liegt mehr als 100 m unter der Erde am Genfer See, denn einen 27 km großen und 3,8 m hohen Ring könnte man kaum inmitten von Siedlungen im Grenzgebiet Frankreich-Schweiz bauen. Ebenso gäbe es zu viele Störungen aus der Umgebung.

Hadron. Zusammengesetzte Teilchen, bestehend aus Quarks und dem Trägerteilchen der starken Wechselwirkung (Gluon, ankleben), nennt man Hadronen. Die häufigsten sind dabei Protonen oder andere geladene Atome.

Collider. In den Linearbeschleunigern werden zwei Strahlen aus Protonen vorbereitet und aus zwei entgegengesetzten Richtungen in den LHC-Ring geleitet. Die Protonen werden dann in Pakete gebündelt und von 9300 Magneten auf knapp 99,99 % der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, dabei schaffen die Teilchen bis zu 11 000 Umdrehungen pro Sekunde. Irgendwann treffen die beiden Strahlen mit den Teilchenpaketen aufeinander und lösen damit einen Teilchenschauer (engl. particle shower) aus. Und aus diesem werden Daten ausgelesen und analysiert. Heraus kommen dann so kryptische Schlagzeilen.

Was ist es? Eines der großen Forschungsinstitute.
Wo? Am Genfer See, zwischen Frankreich und der Schweiz.
Was? Spitzen- und Grundlagenforschung der Teilchenphysik.
Genauer? Das Testen des aktuellen Standardmodells.
Wie funktioniert es? Mit dem weltweit größten Teilchenbeschleuniger.
Wozu? Um zu verstehen, wie das Universum funktioniert.


Titelbild: (c) August Hammel

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