Parler – Das neue Twitter der Rechten

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Das selbsternannte „Free-Speech-Twitter“ Parler gibt Rechten einen Safespace, um Verschwörungstheorien, Rassismus und Antisemitismus zu verbreiten. Mittlerweile hat Parler rund 10 Millionen Nutzer und wird von diversen republikanischen Politikern und Promis empfohlen. Warum das so ist und was Parler gefährlich macht, könnt ihr hier lesen: 

Nachdem Donald Trump in den vier Jahren seines Amts Abermillionen Klicks zu Twitter lotste, könnte sein ideologisches Erbe nun Parler, einem rechten „Free-Speech-Twitter“, ebendiese Klicks bescheren. Twitter und Co. bemühten sich im vergangenen Wahlkampf erstmals darum, Falschmeldungen und Fehlinformationen zu zensieren. Das brachte auch Kritik mit sich: Die Demokraten meinten, es wäre zu wenig zu spät, während die Republikaner eine linke Verschwörung witterten und massenweise flüchteten. Ein Zusammenspiel dieser zwei Kritikpunkte hat für den rasanten Aufstieg von Parler gesorgt.

Was ist Parler?

Parler wurde im Sommer 2018 von den konservativen Programmierern John Matze und Jared Thomson gegründet. Das Interface und die Mechanik hinter dem Sozialen Medium ist von Twitter kaum zu unterscheiden. Ein Tweet wird zu einem Parley, ein Retweet wird zum Echo und das bekannte Himmelblau von Twitter wird bei Parler zu Zinnoberrot.

Was den Unterschied zu Twitter ausmacht sind zwei entscheidende Grundprinzipien. Parler benutzt keine Algorithmen, um den Benutzern eine personalisierte Startseite zu zeigen. Wer jemandem folgen will, muss ihn suchen. Entscheidender noch: Als Trumps Tweets zum ersten Mal zensiert wurden, veröffentlichte Parler eine Unabhängigkeitserklärung des Internets, modelliert nach jener, mit der Amerika sich 1776 als unabhängig erklärte. Parlers Grundsatztext besagt, dass keine Aussage, die im Internet getätigt wird, zensiert werden darf: Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungstheorien wie Qanon inbegriffen, versteht sich. Gleichzeitig tauchte auf Parler der Hashtag #Twexit auf, der klarmachte, dass man sich von Twitter abgewandt hat. Auch interessant: Parler hat bereits linke User gebannt, die dem republikanischen Konsens auf der Seite widersprechen. Mit der Ablehnung der Zensur meint es Parler dann wohl doch nicht so ernst.

Wer tummelt sich auf Parler herum?

Im Juli 2020 hatte Parler gerade einmal 2,5 Millionen Nutzer – in den letzten drei Wochen ist diese Zahl auf 10 Millionen hochgeschossen. Tendenz steigend. Eine überwältigende Mehrheit dieser 10 Millionen sind Trump-Anhänger, die das Dickicht des Internets nach Scheinevidenz für Wahlbetrug durchforsten und diese auch teilen. Außerdem gibt es eine nicht so kleine Minderheit an saudi-arabischen Nutzern, die sich entgegen den Erwartungen unter die großteils islamfeindlichen Netzmassen mischen. Sie haben nämlich eines gemeinsam: Antisemitismus. Der wird auf Twitter mittlerweile mit der Sperrung des Accounts bestraft.

Prominente Nutzer wie Ted Cruz, der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, der Fox News Nachrichtensprecher Sean Hannity sowie diverse rechte Legionsfiguren, wie Alex Jones, die auf Twitter gesperrt wurden, schaffen die nötige Legitimität um Parler von der Alternative zum Gegenpol zu Twitter zu verwandeln.

Die unsichtbare Mauer

Die USA ist ein Land in tiefer Spaltung. Demokraten und Republikaner haben sich in den letzten Jahrzehnten immer weiter voneinander entfremdet – Freundschaften wurden ad acta gelegt und das Misstrauen gegenüber den Anderen wurde immer größer. Bis in die 1980er Jahre gab es bei den Nachrichtensendern ein gemeinsames Verständnis über die Wahrheit. Es herrschte Konsens darüber, was wahr und was falsch ist. Die Parteilichkeit des rechtspopulistischen Senders Fox News provozierte eine linksdemokratische Antwort in Form von MSNBC. Damit wurde ein weiterer Schritt in die Polarisierung gemacht.

Im Internet haben die beiden Lager bis dato eines gemein: Das Ventil beider wurde Twitter. Auf dieser Plattform wurde die Unzufriedenheit über die Umstände von links und rechts geäußert. Zwar gespickt mit Feindseligkeit gegenüber der anderen Seite, ist aber der Raum für Diskurs und ein Gegenübertreten offen. Wenn Parlers Erfolg nicht hier stehen bleiben sollte, könnte sich dieser letzte Berührungspunkt auch verflüchtigen. Trumps größtes Wahlversprechen, die Mauer zwischen Mexiko und den USA, konnte er nicht erfüllen. Sein Erbe führt jedoch nicht nur zum Auseinanderdriften der Seiten. Mit der politischen Trennung der sozialen Medien, könnte eine andere Mauer hochgezogen werden: eine digitale, unsichtbare Mauer innerhalb der Vereinigten Staaten zwischen links und rechts, zwischen Demokraten und Republikanern, zwischen Rationalität und Verschwörung. Um gegen ökonomische Ungleichheit und Klimawandel vorzugehen, gilt es, ein kollektives Problembewusstsein aufzubauen. Durch Parler wird ein Schritt in die gegensätzliche Richtung gemacht. Es wird die Aufgabe des gewählten Präsidenten Joe Biden sein, die (noch) unfertige Mauer Stein für Stein abzubauen und die Sphäre des offenen Diskurses wiederzubeleben.

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