Seit Februar leben wir nun unter der Herrschaft des Coronavirus. Sei es nun eine tatsächliche Ansteckung, die Quarantäne, die uns vor mentale Herausforderungen stellt, oder nicht zu verhindernde Entlassungen durch den Lockdown – der Virus hat für uns alle schwerwiegende Auswirkungen. Es gibt jedoch ein paar wenige, die aus dem Virus einen Nutzen ziehen konnten. In der Serie „Die Gewinner Coronas“ wollen wir auf diese Menschen aufmerksam machen. Im ersten Teil: der indische Premierminister Narendra Modi.
Bevor der Coronavirus die Welt, und auch die 1,35 Milliarden Inder, heimsuchte, stand es um Premierminister Narendra Modi schlecht. Studentenproteste erstreckten sich über die Universitäten des Landes, Trumps Besuch in der Hauptstadt Neu-Delhi hatte die Konflikte zwischen Hindus und der muslimischen Minderheit aufschäumen lassen, und die Arbeitslosenrate stieg. Doch dann kam Corona und bestärkte den Regierungschef der größten Demokratie der Welt in seinem Plan, das Land von Muslimen zu befreien.
Gandhis verlorenes Erbe
Nachdem Indien 1947 unter Führung von Mahatma Gandhi die Unabhängigkeit von Großbritannien erlangte und als säkularer Staat gegründet wurde, lebten Hindus und Muslime weitgehend in Frieden miteinander. Seit die RSS – eine paramilitärische Organisation, die Bewunderung für die Ideen Hitlers hegt – in den 1980er-Jahren politische Relevanz erlangte, steht diese Koexistenz auf der Kippe. Für Narendra Modi begann die politische Karriere in ebendieser rechtsradikalen Organisation.
Bei Ausschreitungen im westindischen Gujarat, bei denen großteils Muslime ums Leben kamen, sah Modi, der mittlerweile mit der RSS-nahen BJP (Bharatiya Janata Party) Regierungschef des Bundesstaat war, tatenlos zu. Modi und seine Partei versuchen historische Berichte über Religionsfreiheit aus Schulbüchern zu entfernen und diese durch hindu-nationalistische Propaganda zu ersetzen. Seitdem er 2014 mit absoluter Mehrheit zum indischen Premierminister gewählt wurde, wird Muslimen systematisch die Staatsbürgerschaft entzogen und Internierungslager für muslimische Flüchtlinge werden errichtet – gebaut werden sie von jenen, die die Lager später behausen sollen.
Einer von uns
Modi gilt seit der Errichtung von Millionen Toiletten und Gasanschlüssen für arme Familien als Verfechter der Anliegen des kleinen Mannes. Seine eigenen bescheidenen Anfänge als Teeverkäufer trugen zu diesem Image zusätzlich bei. Die Zustimmung für Modi stieg mit dem Beginn der Corona-Krise auf bis zu 90% an. Wenn man sich vor Augen hält, dass 14% der Inder Muslime sind, sprechen diese Zahlen Bände. Die Bevölkerung befolgte Modis Maßnahmen gegen die Verbreitung ohne Hinterfragen, und die Zahlen blieben so verhältnismäßig gering. Zeiten der Krise, in denen eine starke Führung gefragt ist, verfestigen im Allgemeinen autoritäre Tendenzen. Die Pandemie bietet Modi günstige Bedingungen zum Ausschalten der indischen Rechtsstaatlichkeit.
Im Gegensatz zu Trump, Bolsonaro und Putin, die einen ähnlich autoritären Ansatz verfolgen, behandelt Modi Corona als einen gemeinsamen Feind, den man nur als Indien, das zusammenhält, besiegen könne. Während sich Trump nie mit Maske zeigte, verhüllte sich Modi wie der Rest der Inder und vermittelte so ein Einer-von-uns-Gefühl. Neben Ausgangsbeschränkungen bat er die Bevölkerung, zu einer bestimmten Zeit zu klatschen und Kerzen anzuzünden, was maßgeblich zu dieser Regung beitrug.
Corona bietet Modi eine Erklärung für die schwächelnde Wirtschaft, die ihn aus der Schussbahn des öffentlichen Auges nimmt. Die Protestierenden wurden durch die Ausgangssperre stumm gemacht. Natürlich warten auf Indien und die BJP enorme wirtschaftliche Herausforderungen – momentan sieht es aber so aus, als ob der charismatische Modi als Sieger aus den Trümmern des Coronavirus aufsteigen würde.
Im nächsten Teil der Serie werden wir uns einer Gewinnerin einer sehr anderen Art widmen. Der 34-jähringen Premierministerin Finnlands, Sanna Marin.
Teil 1: Narendra Modi
Teil 2: Sanna Marin
Teil 3: Jeff Bezos